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Anmerkungen zu Wagners 'Die Meistersinger von Nürnberg'

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Die Meistersinger von Nürnberg - Anmerkungen und kurze Inhaltsangabe

anläßlich der Premiere an der Oper Frankfurt am 26. Mai 2002

Am 26. Mai 2002 hat Wangers 1868 uraufgeführtes Fünfeinhalb-Stunden-Eops 'Die Meistersinger von Nürnberg' in der Oper Frankfurt Premiere in einer überarbeiteten Fassung der Produktion von 1993. Beides Mal ist Christof Nel der Regisseur, die musikalische Leitung der Neufassung obliegt Paolo Carignani.

Neben Rienzi sind Die Meisteringer Wagners einzige von elf Opern, die keinen mythologischen Hintergrund besitzt, sondern sich auf eine Vielzahl von historischen Personen stützt. Besonders trifft dies auf den vom Volk geliebten und verehrten Dichter und Schuster Hans Sachs (1494  1576) zu, der einer der produktivisten deutschen Dichter war und eine unglaubliche Menge von weit über 10.000 Prosastücken, Dramen, Komödien, Fabeln, Faschingsschwänken und Liedern der Nachwelt hinterließ und einer der bedeutendsten Vertreter der Meistersingerzunft darstellte. Die Namen und das Wissen um die Regeln der Meistersinger, die sogenannte Tabulatur, entnahm Richard Wagner aus Johann Christoph Wagenseils 1697 erschienenem 'Buch von der Meister-Singer holdseliger Kunst' und gibt damit einen detaillierten Einblick in das damalige bürgerliche Leben. Die Handlung einschließlich der Berufsbezeichnungen der Meister mit Ausnahme deren von Hans Sachs entspringt allerdings der Phantasie Wagners. Das Wort Meister-Singer besitzt eine doppelte Bedeutung. Zum einen waren alle Mitglieder Meister in ihrem jeweiligen Beruf, zum anderen bildeten die Meistersinger in vielen deutschen Städten eine eigene, angesehene Zunft, in der man innerhalb eines Stufensystems am Ende mt einem Meisterstück wiederum den Titel Meister erringen konnte.

Die Oper, zu Beginn ihrer Entstehung von Wagner noch als komische Oper bezeichnet, ist die textreichste, die je in der Opernwelt geschrieben sein dürfte. Da sie schnellere Tempi als die anderen Werke Wagners besitzt, dauert sie dennoch nicht länger als vergleichbar lange Werke wie 'Die Götterdämmerung' oder 'Parsifal'.

Zum Inhalt: In das Nürnberg des ausgehenden Mittelalters kommt der Ritter Walther von Stolzing, der in der Tradition der Minnesänger mit dem Vorbild von Walther von der Vogelweide das Singen, Dichten und Komponieren sich selbst auf seiner Burg in Franken beigebracht hat. Als in fragwürdiger Weise die Hand des reichen Goldschmied Pogners Tochter Eva als Preis in einem Wettbewerb der Meistersinger, an dem nur 'ihre' Meister teilnehmen dürfen, ausgesetzt wird, bemüht sich der Junker um die Aufnahme in die Zunft und den sofortigen Erwerb der Meisterwürde. Beim sonntäglichen Kirchgang waren Eva und Walther in heißer Liebe auf dem ersten Blick zu einander entflammt. Der Merker Beckmesser, selbst Bewerber um die Hand Evas, fällt ein vernichtendes Urteil über das Aufnahme-Lied Walthers, dem sich der Großteil der anwesenden Meistersinger anschließt – nur einer, Hans Sachs, nicht. Er sieht die Angst, die die Meister – das Bürgertum mit seinen strengen Regeln und Vorschriften verkörpernd – vor dem Neuen, Genialen besitzen.  Am Ende erhält Walther am Johannistag auf der Festwiese dank der List von Hans Sachs eine zweite Chance mit seiner Traumdeutung 'Morgenlich leuchtend im rosigen Schein', die mit Hilfe von Hans Sachs zwar den förmlichen Regeln der Meistersinger entspricht, aber dennoch von der Inbrunst und der romantischen Leidenschaft des jungen Ritters nichts verloren hat. Die Oper endet mit einem aufgrund ihres nationalen Gedankengutes viel diskutierten und umstrittenen Plädoyers von Hans Sachs für die Meistersinger und die deutsche Kunst.

In Hans Sachs hat Wagner viele autobiographische Züge hineinglegt, während Beckmesser als Verkörperung der von ihm ungeliebten Kritiker seinen vollen Haß und Spott zu spüren bekommt. Wagner sieht sich selbst als Revolutionär, als Erneuerer, als Genie, will mit Walthers Kompriß im Preislied aber auch zeigen, daß Neuinterpretationen auf der Basis von alten Regeln in der Kunst erfolgen können oder auch im Politischen. Mit König Ludwig II. als seinem stärksten Förderer wird ihm darangelegen haben zu zeigen, daß man auch Revolution und Neuerung mit der Tradition und dem Überlieferten in Einklang bringen kann. Auch die bis heute aktuelle Diskussion, ob Kunst der Allgemeinheit gefallen soll oder nicht, findet sich in der Singschul-Szene im ersten Akt, wenn Hans Sachs fordert, daß die Regeln der Meistersinger und damit ihre Kunst einmal im Jahr vor dem Volk auf dem Prüfstand gestellt werden sollen. Kothner, der Schriftführer der Zunft, antwortet ihm schroff, "....Der Kunst droht allweil Fall und Schmach, läuft sie der Gunst des Volkes nach."

Die Oper war Hitlers Lieblings-Oper und wurde von den Nationalsozialisten mißbraucht, der Festwiesen-Aufzug zum Reichspartei gewandelt. Ein Fehler, den man dem Werk nicht anlasten darf. Wagner wird immer wieder Antisemitismus vorgeworfen, doch sollte man seine politischen Äußerungen manchmal weniger vor dem Hintergrund des rund ein halbes Jahrhundert nach der Uraufführung der Meistersinger an die Macht kommenden Nationalsolzialismus sehen, als vor Wagners revolutionnärem Engagement in den Aufständen von 1848/49 und seinem um eine Einigung Deutschlands ringendem Streben.

Wagner selbst hat in den Meistersingern mit vielen seiner in theoretischen Schriften aufgestellten Thesen gebrochen, wollte er damit sein Genie, das für jedes Werk den passenden Stil fand, unter Beweis stellen ? In diesem Werk ist keine Mythologie vorhanden, dafür aber Reime, Ballett- und Ensembleszenen, Arien und Chorstücke, melodische Musik und zum einzigen Mal eine am Ende glückliche Protagonistin.

Birgit Popp

Ungekürzte Version der am 26. Mai 2002 in der Frankfurter Neuen Presse erschienenen Vorschau.

Interview mit dem Regisseur Christof Nel

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