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Jenufa - Wiener Staatsoper

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Wiener Staatsoper, 2./8. März 2002
(Premiere 24. Februar 2002) 

Jenufa

Photos: Axel Zeininger,, Text: Birgit Popp

Einer der großartigsten Premieren der letzten Jahre, gleichermaßen von Publikum und Kritik bejubelt, hatte die Wiener Staatsoper am 24. Februar 2002 mit Janaceks Jenufa in der Inszenierung von David Pountney und unter der musikalischen Leitung von Seiji Ozawa erlebt. Ebenso gefeiert waren die nachfolgenden Vorstellungen in der Premierenserie. Es stimmt einfach alles, die musikalische Interpretation wie die optische Umsetzung, das Orchester, die Sänger, der Chor, die Darstellung. So mag es Janacek vorgeschwebt haben, als er diese Oper schrieb. Perfekter geht es nicht mehr.


Agnes Baltsa (sitzend) und Angela Denoke

Großartig sowohl stimmlich als auch darstellerisch Agnes Baltsa als Küsterin, ihr um nichts nachstehend Angela Denoke –beeindruckend ihr weicher und doch kräftiger, ausdrucksstarker, klarer Sopran - in der Titelpartie; Anny Schlemm als Großmutter Buryja unheimlich glaubwürdig, ebenso Torsten Kerl als Steva und Jorma Silvasti als sein Halbbruder Laca, Wolfgang Bankl als Alteesell und Walter Fink als Dorfrichter in den Hauptpartien, aber auch bis auf die kleinste Nebenrolle bestens besetzt. Stimmig das Regiekonzept, bis aufs feinste Detail ausgearbeitet die Personenführung und das Bühnenbild. Im ersten Akt wird die Staatsopern-Bühne von dem Inneren einer alten Mühle mit zentralem, sich fortwährend drehendem Mühlenrad ausgefüllt. In ihren Verstrebungen des Mühlengebäudes sind auch die Menschen verfangen und man könnte die Mühlenräder und den gleichmäßigen Ablauf von Mahlen, Wiegen, Säcke-zu-nähen mit den Mühlen des Alltages und der Gleichmäßígkeit seines Ablaufes gleichsetzen. Im zweiten Akt ist innerhalb dieses Gebildes aus Holzbalken die Stube der Küsterin entstanden, mit einer Wand von Mehlsäcken abgeteilt zum übrigen Bollwerk, denn die Mühle bietet auch Schutz, Arbeit, Nahrung und in gewisser Hinsicht Geborgenheit. Auch hier Detailfreude, wenn dort der Ofen mit der Teekanne steht und andere Utensilien einer schlichten Wohnstube in der Zeit der Jahrhundertwende zum 20.Jahrhundert sich im Raum befinden. Im dritten Akt stehen nur noch die Außenwände der Mühle. Zur Hochzeit ist wie in einer leeren, großen Lagerhalle angerichtet. Ein offener Raum, der zugleich den Ausbruch aus der Enge der dörflichen Gemeinschaft und des Lebens in der Mühle symbolisieren mag.

Leos Janacek hat in seinem berühmtesten Werk, das in der von Sir Charles Mackerras restaurierten Brünn-Fassung von 1908 in Wien gespielt und in deutscher Sprache gesungen wird, zwei Opernarten – einerseits die im 19. Jahrhundert verhaftete Art der Arien und Phrasenwiederholungen, anderseits die im 20. Jahrhundert aufkommende Art desVerismo – und verschiedene Musikstile miteinander verbunden, immer jedoch – ebenso wie die für jede Person charakteristische, individuelle Verwendung von Sprachmelodie und Sprachrhythmus – mit dem Ziel der genauen Charakterisierung der verschiedenen Persönlichkeiten. Dabei ist ein musikalisches Drama entstanden, wie es berührender und packender nicht sein könnte.

Seiji Ozawa am Pult – wie immer aus dem Kopf und ohne Partitur dirigierend ! – verstand Janaceks lyrisch-dramatisches Meisterwerk mit einem äußerst gut disponierten Staatsopern-Orchester in idealer Weise umzusetzen und erlaubte es den Sängern auch in den Forte-Passagen immer noch hörbar zu sein, was bei Janacek manchmal problematisch ist. Das Faszinierende an Janaceks Personen ist, daß – und das trifft das 'wahre' Leben und ist weitentfernt von jeder opernhaften Verklärung – keine der Personen nur gut oder nur schlecht ist: Jenufa, selbstsicher und doch bereits das drohende Unheil ahnend, verspottet am Anfang Laca in seinen Liebeserklärungen, provoziert ihn zu seiner Tat. Laca voller aufrichtiger Liebe zu Jenufa erfüllt, läßt sich dennoch von der Eifersucht verleiten und zerstört mit seiner Messerattacke Jenufas Schönheit mit einem Schnitt in ihr Gesicht. Stewa ist lebenslustig, oberflächlich, sich seiner sozialen Stellung als Mühlenbesitzer bewußt und doch verunsichert durch die herbe Ablehnung durch die Küsterin und letztendlich durch seine Rückgratlosigkeit das Unheil heraufbeschwörend. Die Küsterin, durch ihren verstorbenen, gegen sie gewalttätigen Mann fürs Leben gezeichnet, liebt ihre Stieftochter Jenufa wie ihr eigenes Kind und fügt ihr in der Absicht, nur das Beste für sie zu wollen, was bis zum Mord am unehelichen Sohn von Stewa und Jenufa führt, dennoch größtes Leid zu. Die alte Buryja, Mühlenbesitzerin und Großmutter von Stewa und Jenufa (eigentlich hätten die beiden ohnehin nicht heiraten dürfen angesichts des engen Verwandtschaftsgrades) und Schwiegermutter der Küsterin, ist gütig und ungerecht zugleich, bevorzugt sie doch in für Laca unerträglichen Maße ihren leiblichen Enkel Stewa, während sie ihren Stiefenkel Laca als billige Arbeitskraft behandelt und ausnutzt. Oder die Dorfgemeinschaft – in einem Moment lustig, fröhlich, ausgelassen, im nächsten Moment bereit, Jenufa als vermeintliche Kindesmörderin zu steinigen. Gewalt gegen Frauen – ein Thema der Oper und so unterstützen die Mitwirkenden der Aufführung auch die von dem österreichischen Staatssekretär für Kunst und Medien, Franz Morak, ins Leben gerufene Initiative 'Kunst gegen Gewalt'.  

Birgit Popp

Siehe auch Jenufa am Royal Opera House Covent Garden, London

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