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Pressestimmen 'Peter
Grimes', Staatsoper HamburgDie Welt, 18. Mai 1998:
Bittere Ballade vom Außenseiter - Meisterwerk der Moderne: Brittens 'Peter Grimes':
Welch ein markantes Plädoyer für ein Meisterwerk der Moderne [...] Memento einer
Ausweglosigkeit, für die der Bühnenbildner Wolfgang Gussmann einen kongenial einfachen,
extrem anti-illusionistischen Deutungs-Rahmen schuf - mit steilabfallenden Wand- und
Treppenkonstruktionen, die in ihrer dunkelschimmernden Farbflut 'Grimes' Tod auf dem
Meeresgrund bereits vorwegnehmen. In der Szene ohne jeden Kitsch, streng, schlüssig,
atmosphärisch, konnte Sabine Hartmannshenn in Vertretung von Willy Decker, dessen
Brüsseler 'Grimes'-Inszenierung ursprünglich in Hamburg zu sehen sein sollte, doch wegen
ihrer divergierenden Bühnenmaße nicht realisiert werden konnte, ihre auf das eingängige
Soziologen-Schlagwort von Mensch und Masse ausgerichteten Choreographien des Chors
entfalten. In kollektiver Brutalität und Hybris ließ sie dabei die gefährliche Masse
Mensch - planvoll rhythmisiert - auf den Ausgestoßenen, den 'Ketzer' und 'Mörder' Peter
Grimes los, den selbst die Liebe der Lehrerin Ellen Oxford nicht mehr retten kann. Der
amerikanische Star-Tenor Neil Shicoff, dem bereits in Wien eine Grimes-Darstellung von
außergewöhnlichem Zuschnitt gelang, fand auch in Hamburg Klänge und Gesten eines
Scheiterns und einer Lebensqual, wie sie ausdrucksgeladener kaum denkbar waren. Shicoff,
auch er (wie Britten) ein Alter Ego Peter Grimes, sang und spielte diesen Anti-Helden
eines moralisch abgestumpften Säkulums mit fast stimmgefährdendem
Identifikations-Anspruch. Ein Wissender, dem denn auch Jubel entgegenschlug für seine
überragende Leistung. Eindeutiger Gewinn für Hamburg, die ebenfalls von lyrischem Elan
stark bewegte, kanadische Sopranistin Adrianne Pieczonka als Ellen Oxford. Glückhaft aber
vor allem Hamburgs neuer 'General' Ingo Metzmacher, der [...] die Philharmoniker zu
imponierender Form aufrief. [...]
Süddeutsche Zeitung, 2. Juni 1998:
Mehr als bloß hanseatische Nostalgie - Warum Brittens Meisterwerk an der
Hamburgischen Staatsoper jedoch scheiterte: 'Peter Grimes', Brittens sturmzersaustes
Seestück, hat Besseres verdient als diese Hamburger, einem Schiffbruch verdammt ähnliche
Produktion. Wer im Parkett sitzt, ertappt sich bei sehr verwirrenden Gefühlen. Ihm
begegnen in den Gestalten von Adrianne Pieczonka und Neil Shicoff zwei Protagonisten von
Rang. Er kann sich auf und über die sinfonischen Zwischenspiele freuen, die ja längst im
Konzertsaal ihr eigenes Leben führen, von den wechselnden Gesichter der See
erzählen. Das Szenische jedoch suppt weg in Finsternis, monochromer Grämlichkeit und
misogyner Liebe zu einem Konzept. [...] Man versucht zu begreifen: Sabine
Hartmannshenn will nichts Naturalistisches, kein Fischerdorf, weder Schiff noch Kneipe und
Natur schon mal gar nicht. An der Geschichte von Peter Grimes [...] an ihr hat die
Regisseurin nur Eines interessiert: Der Gegensatz zwischen dem Einzelnen und der
Gesellschaft, dem Außenseiter und der Masse. Daran lassen auch Bühne und Kostüme von
Wolfgang Gussmann keinerlei Zweifel. [...] Soviel hochmütiger Verzicht auf Zwischentönen
hat Folgen. Wenn sich in der spießigen Gegenwelt des Helden nicht auch Individuen
ausmachen lassen, steht das vorzügliche Sängerensemble mit Gregory Yurisich, Anne
Collins, Ian Caley und Sarah Walker auf verlorenem Posten. Interesse finden nur Adrianne
Pieczonka als liebende Lehrerin, deren beseelt leuchtende Lyrismen ein wenig Licht in die
Finsternis brachten, und Neil Shicoff, der den Abend etwas maulig und desinteressiert
anging. Aber dann, als die Verzweiflung des verqueren Fischermanns in den Wahnsinn
überlappte, brachen sich die Qualitäten eines bedeutenden Sängers und Darstellers Bahn.
Die Philharmoniker folgten mit inspirierter Genauigkeit ihrem GMD [...] Die Chöre (Leiter
Jürgen Schulz) hatten den hier geforderten kollektiven Biß. Manchmal, wenn in der Kneipe
der Rundgesang im Siebenertakt angestimmt wird und leicht ins Schlingern gerät, glaubte
man Spuren der chaotischen Vorgeschichte zu orten. Doch dann erzählen die
Orchesterzwischenspiele von Meeresstille und stürmischer Fahrt. Die Musik weiß es besser
als das Bild, und sie weiß es mit triumphierender Autonomie.
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