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Pressestimmen zu `Le Prophète', Staatsoper Wien Salzburger
Nachrichten:
Im Vorfeld schon umstritten und nun gelungen: Giacomo Meyerbeers "Prophet"
nach 67 Jahren wieder an der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Hans Neuenfels. [..]
Dieser Premierenabend wird in die Annalen als einer eingehen, der zu vorderst dem
Regisseur gehörte. Denn Hans Neuenfels hat etwas zustande gebracht, was nur den ganz
Großen des Operntheaters vorbehalten bleibt: Er hat die Musik größer gemacht, als wir
sie wahrzunehmen geneigt sind. Er hat ihren verborgenen Subtexten nachgespürt und
Widersprüche, Stimmungslagen und Sehnsüchte der Protagonisten sichtbar gemacht,
unbeirrbar, immer den roten Faden der Erzählung in den Händen haltend. [..] Agnes Baltsa
übersprang in bewundernswürdiger Weise alle Registergrenzen und vermochte auch als
Schauspielerin zu überzeugen. Viktoria Loukianetz stellte als Berthe ihre Koloratur- und
dramatischen Qualiäten unter Beweis. Und die drei Wundertäufer-Solisten hatten in Franz
Hawlata einen baßgewaltigen Anführer. Solide gab Davide Damiani den bösen Comte
d'Oberthal. Plácido Domingo [..] sang mit der ihm eigenen Mischung aus Einsatz und
intelligenter Kraftersparnis. Manches hat er sich wohl transponieren lassen. Das war klug
(und keiner wird es ihm übelnehmen). Es war aber auch nicht zu überhören. Filterte den
Glanz aus den Meyerbeer-Höhen und legte der Musik einen kleinen, melancholischen Schleier
über. Marcello Viotti schlug nur beim Krönungsmarsch wilde Kapriolen, dirigierte sonst
durchsichtig, lebendig und fand auch den derben Gassenhauerton des Pseudofolkloristischen.
Ansonsten ließ er hören, wie überraschend hell und 'deutsch' diese Musik ist, nahe bei
Lortzing aber auch nicht fern vonOffenbach, leicht, und doch zuweilen ins Tiefe
vorstoßend.[..] '
Wiener Zeitung:
'[..] Das Schwein wurde gestrichen - aber auch ohne Schwein hatte man bei dieser
Produktion (in szenischer Hinsicht) kein Schwein (Glück) gehabt. [...] Denn Neuenfels und
von der Thannen haben mit ihrer grenzenlosen Sucht nach 'Orginellem' und nach absolutem
(Pseudo-)Regietheater den Blick auf das Werk - und seine gerade heute, in der Zeit des
Sektenunwesens und der falschen Propheten, durchaus aktuellen Aspekte - leider vollkommen
verstellt. Diese krank- und krampfhafte 'Aktualisierung' ist ein hemmungsloser Tummelplatz
der Fantasie - und ziemlich am Wesentlichen vorbei. [..] Plácido Domingo in der
Titelpartie des Jean und Agnes Baltsa als Fidès, das ist ein Traumpaar, das die ganze 3,5
Stunden rechtfertigt und erträglich macht. Da sind Sänger am Werk, die noch immer im
Vollbesitz ihrer stimmlichen Kräfte sind, mit schonungsloser Attacke singen und auch in
darstellerischer Hinsicht keine Wünsche offenlassen. Vor allem das Timbre der Baltsa
nimmt einem immer wieder den Atem. Viktoria Loukianetz war als strahlende Berthe mehr eine
großartige und koloraturensichere Dritte im Bunde. Profund der Oberthal von Davide
Damiani, verläßlich und bestens harmonierend Franz Hawlata (Zacharie), David Cale
Johnson (Mathisen) und Torsten Ker (Jonas). Am Pult waltete Marcello Viotti
souverän, machte aus der Meyerbeer-Partitur das Beste, ließ dort knallen, wo es zu
knallen hat (aber nicht über Gebühr). Das Staatsopern-Orchester vertiefte sich in die
ihm gewiß nicht geläufige Partitur, die ihre Tücken hat, mit viel Hingabe und wartete
mit verschwenderischem Luxusklang auf. Der Staatsopern-Chor (Einstudierung: Johannes
Meister) - in dieser Oper ein Hauptakteur - war bestens präpariert und ließ ebenfalls
keine Wünsche offen. [...]
Der Standard, Wien:
'Alter Schinken, szenisch überwürzt': [...] Da schlagen auch alle
wohlgemeinten Versuche von Regisseur Hans Neuenfels fehl, diesem Opernschinken durch
zeitgeistige inszenatorische Überwürzung bekömmlicher zu machen. Ganz im Gegenteil.
Fast hat das den Anschein, als würde das Haus am Ring nicht nur dem Kirchenjahr sondern
auch allen mittleren Stadttheatern nachhinken, die schon seit Jahrzehnten versuchen, durch
so manchen, unbeholfenen inszenatorischen Kopfstand von sich reden zu machen. Hans
Neuenfels allerdings muß man zugute halten, daß er beim Kopfstehen recht gute Figur
macht. Das Werk, auf das er sich stützt, hingegen weit weniger. Das heißt, was sich auf
der Bühne abspielt, ist nie ganz unattraktiv. Man weiß allerdings nie, warum sich jetzt
das abspielt, was sich gerade abspielt, und nicht etwas anderes. [...] Die Töne sind da
hörbar leichter zu handeln, Die kann man nämlich transponieren. Und im baritonalen
Bereich vermag Domingos Tenor noch immer betörend zu strahlen. Während Agnes Baltsa sich
gerade in den höheren Sphären ihres luxuriosen Mezzo wohler und freier zu fühlen
scheint als in den Bezirken um das eingestrichene C herum. Die erstaunlichsten
Gesangsnummern in dieser Show lieferte jedoch Viktoria Loukianetz. In manchen Augenblicken
gelang es ihr, mit der hellen, schwingenden Lyrik ihres Soprans dem ganzen Klimbim für
manchen schönen Augenblick in wirkliches Musiktheater zu verwandeln. [...]
Die Presse, Wien:
'Affen, Dodel und alter Regieramsch': [...] Hans Neuenfels jedenfalls hat den
Propheten nicht inszeniert, sondern ein Sammelsurium aus seiner in anderen Fällen -
zuletzt in der Volksoper - oft sehr ästhetisch , sehr wirkungsvoll arrangierten optischen
Bilderwelt auf die Bühne gestellt. Das genügt, um ohne ständige Zuhilfenahme des
Textbuches wirklich nicht zu wissen, worum es in dem Stück geht. Es genügt nicht, um dem
Zuschauer vier Stunden im Theater lebenswert erscheinen zu lassen. [...], da hobsen Affen
herum, die nebst einigen offenkundig leicht Geistesgestörten das Prophetengefolge mimen.
Da haben die Figuren Doubles, die für die Dummen pantomimisch nachvollziehen, was ihre
Gegenbilder erzählen oder denken. Und all das hat so ganz und gar keine theatralische
Spannung, die den Zuschauer zwänge, nachzudenken oder - je nachdem - sich zu ärgern.
[...]
Kronen-Zeitung, Wien:
Nachtkritik: [...] Da ist viel Theater an der Rampe und nicht ohne Leerläufe. Als
Aufputz sieht man dazwischen ein paar Halbnackte, einen Gekreuzigten, Ballett mit blutigem
Tutu, aber auch Gags voll Ironie. Zwei Stars feierten souverän ihre Debüts: Plácido
Domingo gestaltet die heikle Partie des Jean mit Tenorglanz und imponierender
Persönlichkeit; Agnes Baltsa ist eine leidenschaftliche Mutter Fidès. Berührend
Viktoria Loukianetz als Jeans tragische Braut Berthe.
Kronen-Zeitung, Wien:
Zu Recht wurden Domingo und Baltsa gefeiert: Er als falscher Prophet und
Volksverführer Jean, [...], und sie als Mutter Fidès gaben dem ungewöhnlichen Werk
Stimmenglanz, Leidenschaft, Feuer. Zwei Persönlichkeiten, die Meyerbeers raffinierte
Melodik mit Bravour und Feingefühl gestalten und im Finale einen Triumph feierten. [...]
Sie alle wurden von Marcello Viotti am Pult fürsorglich geführt. Meyerbeers Klangwelt -
die mehr bietet als nur den fulminanten Krönungsmarsch und das berühmte
Schlittschuhballett - blühte auf. [..] Neuenfels spielt die Geschichte zwischen
Tribünen (selbstverständlich mit vielen Stiegen) und überschwemmt die Szene mit einer
Flug von Gags - einigen klugen, vielen sehr mutwilligen -, sie sollen Ironie in die
Geschichte bringen. Aber es sind die ausgeleierten (Regietheater-) Gags, die die
Produktion in die Peinlichkeit abrutschen lassen: [...]
Kurier, Wien:
'Meyerbeers 'Le Prophète wurde kein Skandal, sondern ein Wagnis': Nach dem Orkan der
Ablehnung, den das unbelehrbare Wiener Opernpublikum dem Regisseur Hans Neuenfels und
seinem Ausstatter Reinhard von der Thannen entgegenbrüllte, kann wieder Ruhe einkehren.
[...] Viotti entlockte dem Staatsopernorchester prächtigste Farben und hängt an den
Lippen der drei Stars. Agnes Baltsa als Mutter des Propheten singt sich die Seele aus dem
Leib. [...] Viktoria Loukianetz [...] bewältigt beinahe auch die ihr abverlangten
Spitzentöne. Plácido Domingo weist nach, daß er als Senior genial weiß, wann er alle
Kräfte mobilsieren muß, um einen strahlenden Helden darzustellen. [...] Und der
herbeigesehnte Skandal ? In meinen Augen reduziert er sich auf die Tatsache, daß Hans
Neuenfels den bequemsten, heutzutage üblichen Ausweg aus dem Dilemma, Meyerbeer zu
inszenieren, sucht. Er 'deutet' mit großer Hingebung und einer Vielzahl an
differenzierten Hinweisen unerbitterlich eine Oper. Er läßt keine mögliche Chiffre aus.
Macht, Ohnmacht, Bürgerkrieg, Verführung, Kirche, aber auch der Zwiespalt eines
Mutter-Sohn-Verhältnisses. Er bleut es uns ein. Aber erwagt nicht, seine Interpreten zu
fordern. An ihrer Stelle agieren wackere Mimen. [...] Die Bilder prügeln uns
unerbitterlich ein, was Regisseur und Ausstatter zu Meyerbeer zu sagen haben. Vorüber
scheinen die Zeiten, in denen man eine Oper sah und 'nachdenklich' heimging. Die Chance,
als mündiger Zuhörer dem 'Propheten' etwas abzulauschen, wird nicht mehr gegeben. Fürs
Publikum denkt der Regisseur. [...]
Opera
Notes
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