Am 2.Oktober 2005
steht mit Verdis ‚Un ballo in maschera’ (‚Ein Maskenball’) aus dem Jahr
1859 die erste Opernpremiere dieser Saison auf dem Spielplan. Ein
Premierendebüt ist die Partie der Amelia, die ihre verbotenen Gefühle zu
Riccardo, dem besten Freund ihres Mannes mit einem magischen Kraut
bekämpfen will, damit aber erst recht ein Unglück heraufbeschwört, für
Silvana Dussmann. Die Wienerin hatte ihren Einstand in Frankfurt mit
ihrer vielgelobten Verkörperung der Kaiserin in Richard Strauss’ ‚Die
Frau ohne Schatten’ im Februar 2003 gefeiert.
Schon als Kind
hatte Silvana Dussmann im Kirchenchor gesungen, bereits mit 18 im Chor
bei den Festspielen in Mörbisch, mit 19 im Zusatzchor der Wiener
Volksoper. Aber, es war der Stehplatz in der Wiener Staatsoper, der sie
für die Oper einnahm und der ihr die Möglichkeit zum Vorsingen an der
Wiener Musikhochschule eröffnete. „Als ich eine faszinierende
Lohengrin-Vorstellung an der Wiener Staatsoper mit Leonie Rysanek und
Jess Thomas besuchte, kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass ich so
etwas auch beruflich machen könnte. Ich habe oft die Partien mitgesungen
und da hat mir ein Pianist auf dem Stehplatz angeboten, mich für die
Musikhochschule anzumelden und mich beim Vorsingen zu begleiten – und
ich wurde angenommen,“ erinnert sich Silvana Dussmann heute. So gab sie
ihre Anstellung als Chefsekretärin auf, um sich ganz dem Gesangsstudium
zu widmen. „Ich hatte Glück und erhielt noch vor dem Ende meines
Studiums eine Festanstellung im Hauschor der Wiener Staatsoper. So war
meine Berufung zum Beruf geworden und ich hatte die Gelegenheit, damals
noch so wunderbare Sänger und Sängerinnen wie Mirella Freni, Montserrat
Caballé, Lucia Popp, Margaret Price, Luciano Pavarotti oder Piero
Cappuccilli miterleben zu dürfen. Sie beherrschten ihre Technik und
trafen die richtige Wahl ihres Faches und ihrer Rollen mit
Besonnenheit.“ Längst ist Silvana Dussmann an das Haus am Ring
zurückgekehrt, wo die vielseitige Sopranistin in Partien wie der
Elisabetta I. in Donizettis Belcanto-Oper ‚Roberto Devereux’ auch im
direkten Vergleich zur Gesangsikone Edita Gruberova mühelos bestand.
Ihr erstes
Solo-Engagement war 1987die Partie der Lisa in Lèhars ‚Das Land des
Lächelns’ an der Wiener Volksoper an der Seite von Nicolai Gedda. In
ihrer anschließenden Ensemblezeit in Innsbruck debütierte sie in Partien
wie Ilia (‚Idomeneo’), Pamina (‚Die Zauberflöte’), Konstanze (‚Die
Entführung aus dem Serail’) oder Michaela (‚Carmen’). Während ihres
Engagements in Graz in den Jahren 1992-94 wechselte sie ins etwas
dramatischere Fach und sang bereits die Violetta in Verdis ‚La traviata’,
die Agathe in ‚Der Freischütz’ und 1994 ihre erste Sophie (‚Der
Rosenkavalier’). „Von der Sophie zur Chrysothemis war es noch einmal ein
großer Schritt,“ so die Sängerin. Mit der Chrysothemis sollte sie in
Essen, Wien und Dublin ebenso große Erfolge feiern wie mit ihrer Norma
in München, Wien und Berlin oder ihrer Leonora (‚Il trovatore’) in
Essen. Für die Zukunft plant sie die Wagner-Partien Elsa, Evchen und
Elisabeth, Strauss’ Marschallin und Beethovens Fidelio.
Eine erstklassige
Technik, harte Arbeit und Disziplin, Kalkül, aber auch eine ganze Menge
Passion gehören dazu, um eine herausragende Opernsängerin zu sein. Eine
Leidenschaft, wie sie auch im Maskenball zum Ausdruck kommt. „Mir
gefällt an Verdis Oper, dass sie so aktuell ist. Amelia ist nichts
Absurdes, keine abstrakte Person. Dass sich eine verheiratete Frau in
den besten Freund ihres Mannes verliebt, kann in jeder guten Familie
vorkommen. Die zwischenmenschliche Handhabung eines solchen Falles kann
so oder so gelöst werden. Die Frauen haben immer eine karitative Seite.
Familie und Kind stellen sie über ihre persönlichen Wünsche. So
akzeptiert Amelia auch zu sterben, wenn sie sich von ihrem Sohn
verabschieden darf.“ Ein weiterer Aspekt mit aktuellem Bezug ist für
Silvana Dussmann, der Wandel zwischen Sein und Schein, die Maskierung,
„Viele Menschen verbergen heute ihre eigene Identität hinter einer
Maske. Zum Teil zur Täuschung der anderen, man braucht dabei nur an
manche Politiker und Manager zu denken, zum Teil aber auch, um sich zu
schützen und weniger verwundbar zu sein. In der Inszenierung von Claus
Guth werden die Masken eine wichtige Rolle spielen und es wird einen
richtigen Maskenball am Ende geben.“
Trotz der Tragik,
dem Morbiden und Ernstem, das die Oper von Anfang an durchzieht und im
tödlichen Finale gipfelt, hat Verdi auch viel Leichtigkeit, Amüsement,
Ironie und Witz in die fließende, ideenreichen Musik gepackt. „Verdi hat
für die Soprane geschrieben, die viel mit ihren farbenreichen
Koloraturen ausdrücken und die dramatisch die Farben der Musik
ausschöpfen können.“
Im Januar 2006 wird
die Wienerin mit der schönen, klangvollen Stimme in einer weiteren
Frankfurter Premiere zu hören sein. Dann wird sie in Mozarts ‚La
clemenza di Tito’, einer Gemeinschaftsproduktion der Oper Frankfurt mit
dem Theater an der Wien im Rahmen des Mozart-Jahrs, die Vitellia
verkörpern. In beiden Neuinszenierungen obliegt die musikalische Leitung
dem Frankfurter GMD Paolo Carignani. Mit der Inszenierung des
Maskenballs gibt Regisseur Claus Guth, der sich 2003 in Bayreuth für den
Fliegenden Holländer verantwortlich zeichnete, sein Hausdebüt in seiner
Geburtsstadt. Mit den Protagonisten an Silvana Dussmanns Seite kehren
zwei ‚alte’ Bekannte nach Frankfurt zurück. Carlo Ventre, der bereits
als Pinkerton und Cavaradossi in Frankfurt zu hören war, singt den
Riccardo und Marco Vratogna, der in Frankfurt bereits als Nabucco und
Scarpia auf der Bühne stand, gibt den Renato.
Birgit Popp
Erschienen in gekürzter Fassung am 24. September 2005 in
der
Frankfurter Neue Presse
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