Vorschau - Oper
Frankfurt - Premiere 4. November 2012
Pelléas
et Mélisande
Die dritte Premiere der Saison 2012/13 an der Oper
Frankfurt wird mit Debussys Pelléas et Mélisande unter der
musikalischen Leitung von Friedemann Layer in der Inszenierung des in
Frankfurt geborenen Regisseurs Claus Guth am 4. November 2012 Premiere
haben. Sänger der Titelpartien sind der Bariton Christian Gerhaher und die
Sopranistin Christiane Karg.
Christiane
Karg (Mélisande), Christian Gerhaher (Pelléas)
Nach Barbers Vanessa (1958) und Humperdincks
Königskinder (1910) zählt auch die dritte Neuproduktion der Oper
Frankfurt in dieser Saison nicht zu den im Standardrepertoire der
Opernhäuser vorkommenden Werken. Aber es gibt noch weitere
Gemeinsamkeiten, entstanden doch alle drei Opern zu Beginn bzw. in der
Mitte des 20. Jahrhunderts, handeln von unerfüllter Liebe ohne Happy End,
sind in ihrer Komposition sehr dem Duktus der jeweiligen Sprache Englisch,
Deutsch bzw. Französisch angepasst und sind das einzige oder einer der
ganz wenigen Bühnenwerke ihres Komponisten. Bei Claude Debussy
(1862-1918), der bereits 1892 den Entschluss faste, Maeterlincks Dichtung
Pelléas et Mélisande zu vertonen und dies in den Jahren 1895 bis
zur Uraufführung seines einzigartigen Meisterwerkes im April 1902 in Paris
umsetzte, waren es trotz des triumphalen, internationalen Erfolgs der Oper
seine 1909 diagnostizierte Darmkrebserkrankung und der Ausbruch des 1.
Weltkriegs die die Pläne für weitere Bühnenwerke zunichte machten.
Christiane
Karg (Mélisande), Christian Gerhaher (Pelléas)
In Debussys Oper, die sich inhaltlich wie
musikalisch in einem mystischen Schwebezustand befindet, wird Mélisande,
deren Herkunft im Ungewissen bleibt, die aber bei ihrem ersten Erscheinen
eine von ihr zuvor weggeworfene Krone ihr eigen nennt, von Prinz Golaud
(Paul Gay) verstört und heimatlos aufgefunden. Er bringt sie als seine
Frau nach Hause auf das Schloss seines Großvaters, dem König Arkel (Alfred
Reiter). Zunehmend misstrauisch beobachtet Golaud die sich entwickelnden
Sympathien zwischen seinem jüngeren Halbbruder Pelléas und Mélisande und
tötet am Ende Pelléas, woraufhin Mélisande nach der Geburt ihrer mit
Golaud gezeugten Tochter stirbt.
Christiane Karg
Die Partie der Mélisande ist geradezu optimal für
das Frankfurter Ensemblemitglied Christiane Karg, die wiederholt in der
Main-Metropole große Erfolge feiern konnte, so in der Titelpartie von
Cavallis La Calisto oder als Mozarts Pamina (Die Zauberflöte),
Susanna (Le nozze di Figaro) und Servilia (La clemenza di Tito)
oder als Zdenka in Strauss’ Arabella. Ihr Weg zur internatonalen
Karriere, die sie bisher u.a. an die Staatsoper München, die Komische Oper
Berlin, an das Theater an der Wien und zu den Festival in Salzburg und
Glyndebourne führte, verlief äußert gradlinig. Obwohl nicht aus einer
Musiker- oder Sängerfamilie stammend wusste die gebürtige Feuchtwangerin
schon mit fünf Jahren, dass sie Sängerin werden wollte, „Mein Vater, der
Konditoreimeister ist und ein Café betreibt, ist ist ein großer
Opernfan. Ich hatte schon als kleines Kind musikalische Früherziehung,
habe schon sehr früh im Kirchenchor und mit zehn Jahren mein erstes Solo
in einer Kinderchorkantate gesungen. Ich habe Klavier gespielt und habe,
ohne bis dahin Gesangsunterricht gehabt zu haben, einen Preis bei Jugend
musiziert ergattert. Glücklicherweise konzentrierten sich bei mir alle
Hobbys und Interessen um den Gesang. Ich lese gerne Gedichte, mag
verschiedene Sprachen und habe lange Ballett getanzt. Heute habe ich dazu
keine Zeit mehr, dafür gehe gerne ins Fitness-Studio und schwimme, um
meine überschüssigen Energien abzubauen.“
Christiane Karg
Ihr Gesangsstudium hat sie an prominenter Stelle am
Salzburger Mozarteum absolviert und hatte in ihrem Abschlussjahr 2006
bereits ihren ersten Auftritt bei den Salzburger Festspielen. Mit ihrem
damaligen Lehrer Heiner Hopfner wählt und erarbeitet sie bis heute ihre
Partien. Von Salzburg führte Christiane Karg der Weg 2007 ans
internationale Opernstudio der Hamburgischen Staatsoper und von dort mit
der Saison 2008/09 an die Oper Frankfurt. Die lyrische Sopranistin, die
für ihre erste Lied-CD 2010 den Echo Klassik-Preis erhielt und kürzlich
die Opern-Arien-CD Amoretti veröffentlichte, sieht ihre Interessen
gleichermaßen auf den Opern-, Lied- und Konzertbereich verteilt.
Die Partie der Mélisande ist für Christiane Karg
eine große Herausforderung, wenngleich weniger gesangstechnisch, da es
weder Koloraturen noch Spitzentöne gibt, denn in der Darstellung und
Interpretation, „Ich fühle mich unheimlich wohl in dieser Partie und war
schon früher wahnsinnig berührt von diesem Stück, obwohl ich gar nichts
wirklich verstanden hatte. Aber ich muss gestehen, obwohl ich mich nun so
intensiv mit dieser Figur auseinandergesetzt habe, geht es mir noch immer
nicht viel anders. Ich kann diese Person nicht fassen und eine
Inszenierung kann immer nur den Fokus auf einen oder wenige Aspekte dieser
vielschichtigen Geschichte werfen.“ Dass Pelléas und Mélisande einfach
nicht zu greifen seien, mache das Stück so spannend, „Vieles bleibt im
Dunklen und bei vielen Aspekten wird immer ein Fragezeichen bleiben. Ich
mag Mélisande sehr und der Gedanke, sie als Opfer zu sehen, gefällt mir
nicht. Im Verlauf der Probenarbeit ist sie eine selbstbewusste Frau
geworden, die andere Träumen und Visionen hatte und hat, aber, wie dies
sooft im Leben ist, die Wirklichkeit hat sie mitgerissen und ihre Träume
weggenommen.“
Für Christiane Karg ist ganz offensichtlich, dass
Mélisande schlimme körperliche Erfahrungen gemacht hat, denn, „Sie
reagiert immer sehr seltsam auf Körperkontakt, selbst bei Pelléas. Ein
Missbrauch liegt nahe. Wenn sie etwas vergessen möchte, schmeißt sie die
Sachen, die sie daran erinnern einfach weg. Erst die Krone, die bei uns
aber nicht vorkommen wird, dann den Ehering Golauds, weil sie auch die
Heirat ungeschehen machen möchte.“ Aber selbst mit Pelléas fände sie keine
wirkliche Liebe, ist die Sängerin überzeugt, „Ich glaube nicht, dass sie
mit ihm glücklich werden könnte. Das merkt man zum Beispiel daran, wenn
Pelléas immer wieder die Schönheit ihrer Haare und ihrer Hände besingt, es
ihm aber nicht wirklich um sie als Person geht.“
Christiane Karg
Doch, was Mélisande im Stück als Person, als Mensch
miterlebt, ist gerade das, was Christiane Karg in der Probenarbeit so
seelisch und körperlich beansprucht, „Vor allem der vierte Akt geht sehr
an die Grenzen des Menschlichen. Er ist sehr gewalttätig, wenn der
geliebte Pelléas in ihren Armen stirbt, oder, wenn Golaud sie zuvor an
ihren Haaren durchs Haus zieht. Es ist unglaublich, was dieser Frau
angetan wird.“ Und so liegt für Christiane Karg auch der Schlüssel für das
Ende im vierten Akt, „Danach ist sie gebrochen. Sie ist eigentlich schon
tot am Ende dieses Akts. Sie hat mit dem Leben abgeschlossen und will
sterben. Aber, ich glaube, sie findet trotzdem ihren Frieden. Die, die am
Leben bleiben, müssen sehen, wie sie mit ihrer Schuld nun weiterleben
können. Für mich ist Arkel vielleicht sogar der größere Verbrecher als
Golaud, weil er alles mit angesehen hat und nicht eingeschritten ist.“
Trotz des mystischen Charakters besitzt für die
Sängerin die Oper viel Realismus, „Jeder hat Träume, aber die Realität ist
oft eine ganz andere Sache. Das Stück zeigt, dass man sich selbst und
seiner Vergangenheit nicht davonlaufen kann. Mélisande hat es versucht.
Hat versucht vieles ungeschehen zu machen, aber das funktioniert nicht. Es
sind ganz normale familiäre Konflikte, die sich da auftun.“
Text: Birgit Popp,
Photos © Oper Frankfurt -
Monika Rittershaus,
Photos Chrisiane Karg
© Gisela Schenker
Der Artikel wurde in Auszügen in der
Frankfurter Neue Presse (
www.fnp.de ) veröffentlicht.
Weitere Informationen, Termine,
Photos und Video:
www.oper-frankfurt.de
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