Oper Frankfurt -
Liederabend-Premiere, 15./16. Juni 2020
Liederabend-Debüt
für Zeljko Lucic
Corona
macht’s möglich
Manchmal bringen gravierende, negative
Lebenseinschnitte wie die Corona-Pandemie und ihre Folgen insbesondere
auch für freiberufliche Künstler positive Nebeneffekte hervor. So auch bei
Zeljko Lucic: Solange der weltweit an den bedeutendsten Opernhäusern
gefragte Bariton, der alleine an der Pariser Opera Bastille von April bis
Juli fünf Vorstellungen von Adriana Lecouvreur und gar 14 von Rigoletto
hätte singen sollen, von einer Opernproduktion zur nächsten reiste, war
das Thema Liederabend für ihn eher eine abstrakte Option gewesen. Das
ändere sich schlagartig mit der Absage aller Vorstellungen wegen der
Corona-Pandemie, „Ich habe mir Gedanken gemacht, was ich alternativ zur
Oper tun könnte und habe mich mit Liedgesang beschäftigt, mir viele
Beispiele auf YouTube angehört. Besonders gut gefallen hat mir Dietrich
Fischer-Diskau. Er beherrschte den Liedgesang wirklich perfekt. Umso mehr
ich mich mit dem Liedgesang beschäftigte, umso mehr habe ich Gefallen und
Spaß daran gefunden. Ich habe eine Auswahl von Liedern getroffen, die ich
attraktiv fand, und begonnen, Lieder von Brahms und Schubert
einzustudieren,“ so der seit 1998 in Frankfurt lebende, gebürtige Serbe.
Da traf es sich gut, dass die Künstlerische
Betriebsdirektorin der Oper Frankfurt Almut Hein Anfang Juni bei Zeljko
Lucic anrief, um sich nach seinem Befinden in der Corona-Krise zu
erkundigen. „Sie wollte wissen, was ich so mache, wenn man nichts machen
kann. Als ich von meinem neu erweckten Interesse am Liedgesang erzählte,
bot sie mir an, in Frankfurt kurzfristig einen Liederabend zu geben,“ so
der Bariton, „In der Kürze Zeit konnte ich keinen reinen Liederabend
zusammenstellen, sondern es wurde ein gemischter Abend aus Liedern und
Arien. So ganz ohne Pause war das sehr anstrengend. Vor allem auch der
ständige Wechsel zwischen Opernarie und Lied. In Zukunft möchte ich reine
Liederabende geben, vielleicht mit ein oder zwei Opernarien am Ende.“
Zeljko Lucic Photo:
Birgit Popp
Dass sein allererster Liederabend in Frankfurt
stattfinden sollte, freute Zeljko Lucic, der von 1998 bis 2008 dem
Ensemble der Frankfurter Oper angehörte, besonders,“In Anlehnung an J.F.
Kennedy kann ich sagen, Ich bin ein Frankfurter! Und so ist es nur
passend, dass mein erster Liederabend in Frankfurt stattfand! Arienabende
habe ich schon einige gegeben, aber, dass ich Brahms und Schubert sang,
war wirklich das allererste Mal. Die Lieder von Maurice Ravel, die ich
ebenfalls ins Programm genommen habe, habe ich vor rund 25 Jahren schon
während meines Studiums in Serbien einstudiert und gesungen. Seitdem aber
auch nicht mehr. Das Liedrepertoire ist so vielfältig und weitläufig. Für
die Zukunft möchte ich meinen Blick neben dem deutschen und französischen
Liedgut auch noch auf andere Länder richten, so dem italienischen und
russischen oder auch serbische Lieder mit ins Programm nehmen.“
Den Corona-Bestimmungen geschuldet, durften nur
einhundert Besucher an die Oper Frankfurt kommen und der Liederabend von
Zeljko Lucic am 15. Juni 2020 war, als er eine Woche zuvor in den Verkauf
ging, innerhalb von nur fünf Minuten ausverkauft. So beschlossen Oper und
Sänger gleich am darauf folgenden Tag einen zweiten Liederabend zu geben,
der ebenfalls in nur 15 Minuten ausverkauft war. Für alle, die den Abend
verpasst haben oder ihn noch einmal genießen möchten, wird er im Rahmen
von Oper Frankfurt Zuhause ab dem 24. Juni 2020, 20.30 Uhr, auf der
Website der Oper Frankfurt und direkt auf YouTube kostenlos aufrufbar
sein. Dort ist neben Videos von einem Soiree des Opernstudios, Kammermusik
oder musikalischen Beiträgen der Mitglieder des Frankfurter Ensembles aus
ihren Wohnzimmern auch bereits der Mitschnitt des Liederabends von Maria
Bengtsson zu finden, der am 29. Mai 2020 die vorstellungsfreie Zeit an der
Oper Frankfurt beendete, und des Liederabends von Claudia Mahnke.
Begleitet am Flügel wurde Zeljko Lucic von dem
amerikanisch-italienischen Pianisten Mario Antonio Marra, der seit der
Saison 2018/19 an der Oper Frankfurt als Solokorrepetitor tätig ist und
mit zwei Britten-Opern im März 2021 sein Frankfurter Debüt als Dirigent
geben wird. In der Vergangenheit hat er bereits mit mehreren Opernsänger
der Spitzenklasse wie Lawrence Brownlee oder Quinn Kelsey bei
Liederabenden zusammengearbeitet.
Während die vier folgenden Arien aus Zeljko Lucic’
meist gegebenen Repertoire stammen, war der fulminante Auftakt mit Tonios
Prolog aus Leoncavollos I Pagliacci auch für viele seiner größten Fans ein
erstmaliges Live-Erlebnis, denn Zeljko Lucic hat diese Partie in Frankfurt
nie gegeben. Seine erste Premiere an der Frankfurter Oper war zwar I
Pagliacci gewesen, damals aber noch als Silvio. „Das stimmt,“ so der
Sänger, „die Partie des Tonios in einer Opernaufführung habe ich zuletzt
2003 in Amsterdam gesungen.“ Mit drei Liedern von Johannes Brahms geht es
im Programm weiter. Dass ihm die ruhigeren Liedtöne liegen, verwundert
nicht, denn auch in seinem Operngesang ist Zeljko Lucic für seine tragende
Pianissimi berühmt. Nach einer seiner absoluten Glanzarien (geänderte
Reihenfolge gegenüber dem gedruckten Programm), Carlo Gérards Nemico della
patria aus Giordanos Andrea Chénier, bei der lyrische Passagen mit
heftigen Ausbrüchen wie in kaum einem anderen Stück wechseln, stellt
Zeljko Lucic mit Maurice Ravels Don Quichotte a Dulcimée-Stücken unter
Beweis, dass ihm auch das französische Liedgut zu feurig-spanischen
Klängen liegt. Mit Jagos Credo aus Otello, Renatos Eri tu aus Un ballo in
maschera und als Zugabe Rigolettos Cortigiani vil razza damnata gibt
Zeljko Lucic im Folgenden drei glänzende Kostproben aus den Opern, die ihn
zum weltweit führenden Verdi-Bariton seiner Generation machten.
Dazwischen mit zwei weiteren Brahms-Liedern und ein
ebenso innig- gefühlvoll vorgetragenes Im Abendrot von Franz Schubert das,
vorauf Zeljko Lucic sein (zumindest teilweises) zukünftiges Augenmerk
richten wird, „Ich mache seit dreißig Jahren nur Oper. Mit dem Liedgesang
wurde mir eine ganz neue Welt eröffnet. Meine beiden Liederabende in
Frankfurt waren ja nun das allererste Mal und es hat mir sehr gefallen. Es
ist eine ganz andere Art zu singen als der Operngesang. Dietrich
Fischer-Diskau macht es wirklich meisterlich. Es wäre für mich phänomenal,
ebenfalls auf dieses hohe Niveau zu kommen. Es ist für mich jetzt die Zeit
der Lieder. Mir liegen die leisen Töne und die gefühlvollen
Ausdrucksweisen sehr. Ich hoffe, der nächste Liederabend wird schon im
Herbst folgen.“
Birgit Popp
Weitere Informationen zur Oper
Frankfurt
www.oper-frankfurt.de
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