José van Gam
Am 4. Oktober 2005,
20 Uhr, eröffnet José van Dam die Serie der Liederabende der Saison
2005/06 an der Oper Frankfurt. Mit dem belgischen Bassbariton wird einer
der gefeiertsten Opernsänger der Welt mit Schuberts ‚Winterreise’ in
Frankfurt zu Gast sein. Ein Liederzyklus, der José van Dam besonders am
Herzen liegt, „Für mich ist die Winterreise der schönste, kompletteste
und einzige wirkliche Lieder-Zyklus und ich singe ihn sehr gerne. Ich
singe z.B. auch französische Lieder oder die Dichterliebe und den
Schwanengesang. Aber, nehmen wir letzteren, der Schwanengesang ist ein
Zyklus, der keiner ist. Mehrere Lieder wurden zusammengepackt und daraus
ist ein Zyklus geworden. Bei der Winterreise spürt man hingegen, dass
sie eine Linie besitzt. Auch, wenn Schubert sie in zwei Teilen
geschrieben hat. Erst die ersten zwölf Lieder, dann einige Monate später
die anderen zwölf Lieder.“
José van Dam
besitzt eine klare Interpretation des Stückes, „Für mich ist der Mann
schon ein älterer Mann über vierzig, der über sein Leben nachdenkt,
mehr als über seine Liebe. Für mich ist das Wichtigste im Leben die
Liebe, nicht nur für eine bestimmte Person, sondern die Liebe in ihrer
Vielfalt: für Kinder, für Freunde – für mich ist Freundschaft auch eine
Art Liebe. Ohne Liebe ist das Leben furchtbar. So ist es für mich in der
Winterreise ein älterer Mann, der in seinem Leben nicht viel Liebe
hatte, deshalb fühlt er sich so alleine. Es ist die Einsamkeit eines
Mannes ohne Liebe.“
Schon seit zwei
Jahren stand fest, dass José van Dam die Winterreise in Frankfurt singen
würde, „Als Bernd Loebe La Monnaie in Brüssel verließ, um Intendant der
Oper Frankfurt zu werden, haben wir gesagt, dass ich zu einem
Liederabend nach Frankfurt kommen würde. Dann haben wir uns für die
Winterreise entschieden.“ Und, so wird der Liederabend auch nicht im
Rahmen einer Konzerttournee stattfinden, „Ich habe zwar die Winterreise
kürzlich erst in Polen beim Festival in Warschau gesungen, aber das
hatte sich nachträglich noch so ergeben. Ich hasse Tourneen. Vielleicht
fällt es einem leichter, wenn man das selbe Stück zehn oder zwölf Mal
hintereinander singt, aber ich hasse Routine in unserem Metier.“
Vielleicht einer
der Gründe für die lange anhaltende Karriere von José van Dam, dessen
Repertoire, vorgetragen in den bedeutendsten Opernhäusern der Welt, vom
Heldenbariton bis zum lyrischen Bass reicht. Sein Debüt als Opernsänger
gab José van Dam bereits 1960. Sein internationaler Durchbruch kam 1967
in Berlin, wo er auch längere Zeit wohnte und sich ein gutes Deutsch
aneignete. Ein wirkliches Geheimnis für seine mittlerweile 45jährige
Karriere weiß er nicht zu nennen, aber so der Sänger, „Eine gute Technik
ist das Wichtigste im Gesang. Besonders am Anfang muss man genau wissen,
welche Rollen man singen kann. Als ich noch sehr jung war, hatte man mir
schon in Paris den Mefistofele von Gounod angeboten. Aber ich lehnte ab,
weil es mir noch zu früh war. Ich wollte ihn erst mit 35 singen und
dabei bin ich geblieben. Mit 40 Jahren habe ich meinen ersten Holländer
in Wagners Der Fliegende Holländer gesungen. Mit 45 meinen ersten Sachs
in Wagners ‚Die Meistersinger von Nürnberg’ und da war ich immer noch
sehr jung für diese Partie. Aber, man darf auch nicht zu lange mit den
Rollen warten, sondern muss den richtigen Zeitpunkt abschätzen können.
Ich sage den jungen Leuten heute immer, sie müssen vernünftig sein und
Geduld haben. Wenn sie dramatische Partien singen, dann geht das auf die
Stimme, aber mit einer guten Technik weniger als mit einer schlechten.
Man kann sich sehr viel mit einer guten Artikulation helfen, wenn man
dramatische Rollen singt. Die richtige Atemtechnik erleichtert das
Singen ungemein.“
Zu den zukünftigen
Verpflichtungen van Dams zählen Janaceks ‚Ein Totenhaus’ im Oktober 2005
in Madrid, in Paris im Dezember 2005 ‚Die Liebe zu den drei Orangen’
und, manchmal nimmt eine Karriere auch kuriose Wege, im Dezember 2006
sein Rollendebüt als Germont in Verdis ‚La traviata’, eine Rolle, die
ihm in seinem umfassenden Repertoire noch fehlte.
Birgit Popp
Erschienen in gekürzter Fassung am 26. September. 2005 in
der
Frankfurter Neue Presse
|