Carmen (Denyce Graves) wirft Don José die Blume zu -
damit beginnt der verhängnisvolle Verlauf der Oper
Photos: Javier
del Real
Bizets französische Oper Carmen in
deren 'Heimat' zu erleben, hat seinen ganz besonderen Reiz. Allein schon
die farbenprächtige und detailfreudige, aber nicht zu opulente
Inszenierung aus dem Jahr 1999 vom heutigen künstlerischen Direktor des
Teatro Real Emilio Sagi (Bühnenbild: Gerardo Trotti, Kostüme: Jesús
del Pozo, Licht: Guido Levi) und die mitreißende Choreographie von
Antonio Márquez machten die Carmen-Vorstellungen am Madrider Opernhaus
zu einem Genuß. Besonders beeindruckend waren der zweite und der vierte
Akt von Bizets 1875 uraufgeführten Oper durch den andalusischen
Tanz-Spezialisten Antonio Márquez, der sich selbst einen umjubelten
Auftritt im letzten Akt gönnte, gestaltet und mit viel tänzerischem
Esprit angereichert. Mit der US-amerikanischen Mezzosopranistin Denyce
Graves, die zahlreiche ihrer Hausdebüts so an der New Yorker
Metropolitan Opera, am Londoner Covent Garden oder an der Pariser
Bastille in dieser Rolle gab, stand
zudem eine der Inkarnationen der Titelpartie der heutigen
Opernszene verführerisch, mit guter Präsenz und Stimme auf der Bühne.
Verführerisch Denyce Graves als Carmen
Daß der Jubel des Publikums, der
Antonio Márquez und seinem Tanzensemble galt, vom ohnehin sehr
kritischen Madrider Publikum nicht im selben Maße den Sängern und dem
Dirigenten entgegengebracht
wurde, hing von einer sehr gemischten Ensembleleistung ab. Der in Paris
geborene Leiter des Sinfonie-Orchesters von Sevilla Alain Lombard, der für
sein in zahlreichen, hocherfolgreichen Schallplatten- und
CD-Einspielungen festgehaltenes, französisches Repertoire berühmt ist,
bot mit dem Madrider Sinfonie-Orchester einen eher grobgewebten
Klangteppich, den man sich in einigen Momenten nuancierter und
stimmungsvoller gewünscht hätte. Hervorragend von Martin Merry
einstudiert präsentierte sich hingegen der Chor.
Da wird Don José (Sergej Larin) schnell schwach und läßt
Carmen (Denyce Graves) entkommen, was ihn erst einmal ins Gefägnis
bringt.
Der russische Tenor
Sergej Larin, der an allen großen Opernhäusern der Welt bereits
Erfolge gefeierte hat, kämpfte als Don José nicht nur mit den Launen
seiner angebeteten Carmen, sondern auch mit – hoffentlich nur vorübergehenden
– nicht unerheblichen stimmlichen Problemen und es gelang ihm nur mit
viel Erfahrung und Technik sich halbwegs heil über die Runden zu
bringen und seine Blumen-Arie doch noch ansprechend in den Zuschauerraum
zu transportieren. Ein stimmlicher Genuß war erneut die spanische
Sopranistin Isabel Rey als Micaela mit feinen Höhen, sicherer Führung
der Stimme und zugleich mädchenhafter Ausstrahlung und Einfühlungsvermögen
in die Partie. Der mexikanische Bariton Jorge Lagunes, der auch für die
zweite Besetzung Giovanni Furlanetto am 9. Dezember einspringen mußte,
fand zwar beim Publikum nicht nur ungeteilte Zustimmung, bot aber
insgesamt eine solide Leistung in der Rolle des selbstbewußten Toreros.
Eine Carmen aus Fleisch und Blut war auch Béatrice Uria-Monzon in der
zweiten Besetzung. Die französische Sopranistin, die in dieser Partie
bereits auf CD unter der Leitung Alain Lombard zu hören ist,
reichte in ihrer stimmlichen Ausdruckskraft vielleicht nicht ganz
an Denyce Graves heran, brachte die Rolle aber mit viel Feuer und Glaubwürdigkeit
und ein für Carmen geradezu perfektes Aussehen auf die Opernbühne. Im
Auge behalten sollte man auch die noch junge, von Plácido Domingo geförderte
Virginia Tola. Als Micaela sang die argentinische Sopranistin die Rolle
zwar zu dramatisch und mit zu scharfen Höhen, sie besitzt jedoch eine
schöne Mittellage und mit mehr Erfahrung kann sie sicherlich noch
besser ihr vorhandenes Potential umsetzen. Ein Schwachpunkt der Aufführung
vom 9. Dezember war Julian Gavin in der Rolle des Don José. Der
australische Tenor, der seine Laufbahn in Großbritannien startete, wo
er die führende Tenorpartie in Opern wie Jenufa,
Madama Butterfly, Tosca, Rigoletto, Les contes d’Hoffmann, Ernani, La
traviata und Il
trovatore wiederholt an der Opera North gab und 1996 sein Debüt
mit Don Carlos unter dem Dirigat von Haitink am Londoner Covent Garden
feierte, ist auch regelmäßig an deutschen Opernhäusern bis hin zur
Deutschen Oper Berlin zu Gast. Zumindest in der Vorstellung am 9.
Dezember fehlte ihm allerdings der Schmelz und die Überzeugungskraft in
der Stimme und auch seine Darstellungsweise war wenig ergreifend.
Ein letztes Mal bittet Don José (Sergej Larin) Carmen (Denyce Graves),
zu ihm zurückzukehren. Als sie ablehnt, ersticht er sie.
Ein besonderes
Bonbon wurde den zahlreichen Antonio-Márquez-Fans an zwei opernfreien
Abenden im Teatro Real mit seinem im Dezember 2001 neu herausgekommenen
Programm 'Preludio, Zapateado
und Flamenco-Hochzeit' in der Tavernen-Kulisse des zweiten Aktes von
Carmen geboten. Andalusischer Tanz in Perfektion, der auch den
Darbietenden von Márquez' 'Companía' soviel Spaß bereitete, daß sie
mit ihren Zugaben sehr zur Freude des begeisterten Publikums nicht
geizten.
Birgit Popp