Oper Leipzig, 3. Mai 2002
Don
Carlo
(in der vieraktigen Mailänder
Fassung)
Gute gesangliche Leistungen –
mangelndes Regiekonzept
Den Sängern, die am 4. Mai 2002 in der
Besetzung der Premiere vom 15. Februar 2002 auf der Bühne standen, ist
es zu verdanken, daß diese Don Carlo-Produktion der Oper Leipzig nicht
zu einem eher unerfreulichen Abend gerät. Dem Leipziger Schauspiel-
Intendanten Wolfgang Engel, immerhin erfahren im Umgang mit Schillers Don Carlos, hätte man ein sinnfälligeres Regiekonzept zugetraut.
Herausgekommen ist ein Zeiten- und Stilmix, wie man ihn schon sooft in
den letzten Jahrzehnten auf der Opernbühne erlebt hat, der aber den
Stoff deshalb nicht anschaulicher macht, sondern eher entfremdet. Die
Kostüme von Katja Schröder spiegeln weitgehend die Zeit der Dreißiger
Jahre des 20. Jahrhunderts wieder, manchmal aber auch die Zeit von
Philipp II. und Don Carlos. Der Schleiertanz wird zum Theater im Theater
und nicht selten gibt es unfreiwellig komische Szenen, wie z.B. während
des Autodafé, wenn Eun Yee You als Rauschgoldengel am Bühnenhimmel wie
am Weihnachtsbaum aufgehängt die Stimme vom Himmel singen muß. An
ihrem glasklaren Sopran liegt es nicht, daß kein Gefühl der Berührung
- oder höchstens der peinlichen - aufkommt. Der Palast Philipps II. ist
eine karge Wand, die die Drehbühne teil, aber auch nicht viel mehr
Wirkung erzeugt, als, daß sie den Raum begrenzt.
Philipps berührenden Monolog 'Ella
giammai m'amo' singt Jaakko Ryhänen mit viel Sensibilität und
Wohlklang, doch aus dem einsamen Monolog wird ein 'Duett'. Wolfgang
Engel setzt das Solo-Cello auf die Bühne, was zwar einerseits dieses
wichtige Instrument in Verdis Opernschaffen in gewisser Weise aufwertet
und optisch in den Mittelpunkt bringt, deshalb anderseits aber auch
irritiert. Schließlich hat der Komponist keine 'Bühnenmusik'
geschrieben, sondern bewußt das Cello als Untermalung und Begleitung im
Orchestergraben belassen. Völlig verloren geht die Atmosphäre im Duett
zwischen Filippo II. und dem Grande Inquisitore (James Moellenhoff),
wenn letzterer im Zweireiher auftritt und auch hier die Dreißiger Jahre
des vorigen Jahrhunderts beschworen und die Anlehnung an eine Militärdiktatur
gesucht wird. Da macht der Text des Großinquisitors keinen Sinn mehr.
Denn, beugte sich zur Zeit Philipps II. die weltliche Macht der
kirchlichen, wurde diese in späteren Zeiten eher zum Handlanger
weltlichen Machtstrebens.
Eine noch völlig unverbrauchte
Tenorstimme bot der Mexikaner Rafael Rojas in der Titelrolle. Mit bestem
Stimmaterial sang er sich durch die schwierige Partie, wußte sowohl in
den dramatischen wie lyrischen Passagen zu gefallen und zeigte
harmonische Wechsel von der Mittellage bis in die hohen, gut gelungenen
Spitzentöne. Auch darstellerisch brachte Rafael Rojas, der auch in der
Spielzeit 2002/2003 diese Partie in Leipzig singen wird, eine überzeugende
Leistung. Jaakko Ryhänen, einer der weltweit gefragtesten Interpreten
des Philipps, ließ die Leipziger Regie nur wenig Möglichkeiten, den
inneren Zwiespalt zwischen öffentlicher Machtposition und privatem
Einsamkeits- und Betrogenheitsgefühl auszukosten. So wirkte
letztendlich auch das Duett der großen Baßstimmen, eines der
packendsten Musikstücke der ganzen Operliteratur, irgendwie steril,
obwohl Jaakko Ryhänen und James Moellenhoff mit ihrer imposanten Baßgewalt
auftrumpften. Einen wunderbar melodischen, mit hervorragendem Legato
versehenen, ausdrucksvollen und flexiblen Bariton besitzt Andrzej
Dobber. Seine Darstellung entsprach jedoch nicht seiner
stimmlichen Leistung und er wirkte vom Geschen völlig unbemüht und
unbeteiligt. Sehr gut die Baßstimme von Ain Anger als Mönch. Der
Sopran von Svetlana Katchour ist in der Rolle der Elisabetta di Valois
eine erfreuliche Erscheinung mit schönem Timbre, der man in manchen
Passagen aber noch mehr Sicherheit wünschen möchte. Problematischer
dagegen ist der Mezzo von Cornelia Helfricht. In manchen Passagen überzeugend,
fehlte es ihr allerdings in anderen, wie dem Schleierlied, an Flexibilität
und Schmeichelhaften in der Stimme. Der von Anton Tremmel einstudierte Chor bot eine gute
Leistung, besonders homogen und einfühlsam war der Chor der Abgesandten
aus Flandern. Das Orchester, das dem Amtsantritt in 2005 von Ricardo
Chailly als Gewandhaus- Kapellmeister und musikalischem Generaldirektor
der Oper entgegensieht, zeigte unter Mario Venzago sein Potential,
wenngleich die Einsätze hätten präziser sein können.
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