Lyric Opera Chicago 23. März 2013
Rigoletto
Grandiose Vorstellungsserie für Zelkjo Lucic
Zeljko Lucic als Rigoletto - am
Hofe ....
Mit einer grandiosen Folge von fünf Aufführungen beendete Zeljko
Lucic an der Chicagoer Lyric Opera im März 2013 eine Serie von 38
Rigoletto-Vorstellungen in nur 14 Monaten (Paris-Bastille, Köln, Los
Angeles, San Francisco, Mailänder Scala, New Yorker MET, Chicagoer Lyric
Opera) - von insgesamt rund sechzig ‚Rigolettos’ seit seinem
Rollen-Debüt 2008 in Dresden. Wie kein anderer Sänger seiner Generation
personifiziert der serbische Bariton die Gestalt von Verdis
verkrüppelten Hofnarren, dessen Rachepläne gegen den Verführer seiner
Tochter, diese in den Tod treiben. Wenn am Ende des dritten Akts seine
Tochter Gilda in seinen Armen stirbt, blieb bei den Opernbesuchern kaum
ein Auge trocken und es folgten Standing Ovations.
..und 'privat'
Seitens Zeljko Lucic gestaltete sich besonders überragend die
Vorstellung am 23. März 2013, die an Expressivität und Emotionalität
sowohl in den leisen, einfühlsamen Momenten als auch in den kraftvollen,
teils verzweifelten, teils triumphierenden Ausbrüchen und den
langgezogenen Legato- Bögen mit noch längeren Linien, als sie ohnehin
schon sind, und schier endlosem Atem wohl kaum zu übertreffen ist. Eine
Einschätzung, die auch der Sänger teilt, „Das war vermutlich mein bester
Rigoletto, den ich je gesungen habe, vor allem der Monolog ‚Pari siamo’,
in dem sich Rigoletto mit dem dingbaren Mörder Sparafucile vergleicht. Ich
töte mit Worten, er mit dem Dolch. Für mich ist dieser Monolog die
wichtigste Stelle in der ganzen Oper, denn hier gibt Rigoletto sein ganzes
Leben preis, seine Werte, seine Gefühle, seine Seele, seine Ängste. Hier
erfährt der Zuhörer, warum Rigoletto so ist, wie er ist. In diesen Worten
wird alles gesagt, was zu sagen ist.“ Und er fügt hinzu, „Wenn ich
Rigoletto singe, dann spiele ich ihn nicht, sondern ich bin Rigoletto.“
Albina Shagimuratova als Gilda und Giuseppe Filianoti in der Rolle
des als Studenten verkleideten Herzogs von Mantua
Mit Albina Shagimuratova, die wie Lucic mit der Rigoletto-Serie ihr
Debüt an der Chicagoer Oper gab, hatte der Bariton eine kongeniale
Partnerin an seiner Seite. Die russische Sopranistin vollzog die
Wandlung vom naiven Mädchen zur selbstbewussten Frau, die für ihre Liebe
zum sexbesessenen Herzog in den Tod geht, sowohl stimmlich mit ihren
klangschönen, klaren Koloraturen und ihrem lyrischen Timbre wie
darstellerisch äußerst glaubwürdig. Zu den Glanzpartien der Sägerin
zählt die Königin der Nacht in Mozarts Die Zauberflöte, mit der sie
bereits u.a. an der Wiener Staatsoper, der New Yorker Met, der Mailänder
Scala, den Salzburger Festspielen als auch in Hamburg, Düsseldorf und
Berlin reüssierte. Zu ihrer Rolle der Gilda sagt sie, „Gilda ist eine
Rolle für Koloratursoprane, die auch eine sehr lyrische Farbe in ihrer
Stimme besitzen. Obwohl Gilda noch so jung ist, ist sie dennoch stark.
Im ersten Akt mit ‚Caro nome’ ist sie noch ganz ein junges Mädchen, aber
im zweiten Akt, nach allem, was mit ihr geschah, ist sie eine andere
Person mit anderer stimmlichen Farben und Gefühlen. Sie ist verliebt in
den Gedanken, verliebt zu sein, und deshalb bringt sie am Ende das
äußerste Opfer.“
Kiri Deonarina gab ihr Rollendebüt als Gilda
am 20. März an Stelle der erkrankten Albina Shagimuratova
Das Trio der Hauptprotagonisten komplettierte der italienische Tenor
Giuseppe Filianoti, der an der Lyric Opera bereits als Edgardo und
Nemorino zu hören war. Partien, die er bereits auch an Häusern wie der
New Yorker MET, Wiener und Münchner Staatsoper und an der Mailänder
Scala interpretiert hat. In der Partie des Herzogs von Mantua konnte er
vor allem mit seiner wohl timbrierten Mittel- und tieferen Lage und in
seiner Rollengestaltung sowohl als sexlüsternder Herzog denn als
angeblicher ‚verliebter Student’ gefallen, während seine Spitzentöne
nicht immer genügend fokussiert waren. Positiv in Erscheinung trat als
Maddalena die US-amerikanische Mezzo-Sopranistin Nicole Piccolomini,
die, obwohl die gesangliche Linie ihrer Partie vor allem im Sprachduktus
gehalten ist, mit ihrer warmen, farbenreichen tiefen Mittellage der
Rolle der verführerischen Schwester des Mörders Sparafucile (Andrea
Silvestrelli) ein verführerisch-lockendes Timbre verleiht, mit dem sie
nicht nur den Herzog umgarnt, sondern auch ihren Bruder und das
Publikum. Nicole Piccolomini hat diesen Part zuvor u.a. bereits an der
Deutschen Oper Berlin gesungen, wo sie zwei Jahre lang Ensemblemitglied
war und noch heute zahlreiche Gastrollen übernimmt. Viele der kleineren
Solopartien waren mit vielversprechenden Mitgliedern des Ryan Opera
Centers, dem Förderprogramm für junge Opernsänger der Lyric Opera,
besetzt. In ihrem zweiten Jahr als Mitglied des Ryan Opera Centers
debütierte die junge, US-amerikanische Sopranistin Kiri Deonarine, die
u.a. in Dresden studierte, als Cover für die erkrankte Albina
Shagimuratova in der Vorstellung vom 20. März in der Partie der Gilda.
Szenenphoto 1. Akt, 1. Bild
Ihr Hausdebüt an der Lyric Opera gaben mit der Rigoletto-Serie auch
der musikalische Leiter Evan Rogister und der australische Regisseur
Stephen Barlow, der seine ‚Lehrjahre’ in Großbritannien an der Londoner
Covent Garden Opera und beim Glyndebourne Festival absolvierte und in
Chicago die szenische Einstudierung der Wiederaufnahme leitete. Der in
den USA geborene, aber sowohl die amerikanische als auch die deutsche
Staatsbürgerschaft besitzende Dirigent Evan Rogister hatte an der
Universität von Indiana u.a. Gesang bei Giorgio Tozzi studiert und seine
Ausbildung an der Juilliard School als Dirigent komplettiert, bevor er
eine zweijährige Tätigkeit als Kappellmeister an der Deutschen Oper
Berlin antrat. Seit der vorangegangenen Spielzeit hat Rogister an
zahlreichen Opernhäusern der USA debütiert. Am Pult des Orchesters der
Lyric Opera gab er den Sängern die Möglichkeit, ihr Potential zu
entfalten. Er spornte das Orchester zum mitreißenden, musikalischen Sog
an, aber nahm es in den leisen Stellen genügend zurück und ließ die so
wichtigen, musikalischen Pausen zu, die nicht nur den Sängern die Chance
geben, die nächste Phrase vorzubereiten, sondern auch dem Publikum, den
Moment der Spannung zu genießen, auszukosten und zu verarbeiten.
Die Produktion, die ihre Premiere an der Lyric Opera mit Carlos Alvarez
in der Titelpartie in der Saison 2005/06 hatte und die sich strikt an das
im 16. Jahrhundert im italienischen Herzogtum Mantua spielende Libretto
hält, hat nicht nur einen Genuss für die Ohren sondern ebenso für die
Augen zu bieten. In der Inszenierung, deren Wiederaufnahme bereits im
Februar mit den polnischen Bariton Andrzej Dobber als Rigoletto erfolgte,
können die Augen in den historisch getreuen, prächtigen Kostümen von Jane
Greenwood schwelgen, ebenso wie im von Robert Innes Hopkins entworfenen
Bühnenbild, das mit der Drehbühne schnelle Szenenwechsel ermöglicht und
detailgetreu ins Mantua des 16. Jahrhunderts versetzt.
Zeljko Lucic in der Titelpartie
Für Zeljko Lucic, dessen Terminplan der letzten 14 Monaten keineswegs
mit Rigoletto-Vorstellungen ausgefüllt war, sondern der in diesem
Zeitraum mit L’amico Fritz (Rabbiner/Alte Oper
Frankfurt), Luisa Miller (Miller/Münchner Staatsoper), La traviata (Germont/Wiener
Staatsoper), Tosca (Scarpia/Wiener Staatsoper, Otello (Jago/Oper
Frankfurt) in fünf weiteren Opern die führende Baritonpartie übernahm
und sein Wagner-Debüt als Heerrufer im Lohengrin an der Mailänder Scala
im November 2012 gab, stehen als nächstes mit der Macbeth-Wiederaufnahme
im Mai und einer Neuproduktion von Simone Boccanegra im Juni an der
Bayerischen Staatsoper in München zwei Partien auf dem Programm, die
seine Weltkarriere als einer der führenden Verdi-Baritone begründeten.
Text: Birgit Popp, Photos:
Lyric Opera Chicago - Dan Rest
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