der Oper
Plácido Domingo als Hermann
Text von Birgit Popp, Photos
von Axel Zeininger
Eine Sternstunde der Oper durfte das Publikum der Wiener Staatsoper mit der 'Pique
Dame'-Aufführung am 4. Juni 1999 erleben. Es stimmte einfach alles: Sängerensemble,
Orchester und Inszenierung. Unter der musikalischen Leitung von Seiji Ozawa hielt das
Orchester der Wiener Staatsoper und das in Starbesetzung (Plácido Domingo, Sergej
Leiferkus, Dimitri Hvorostovsky, Rita Gorr, Galina Gorchakova) angetretene Ensemble den
Spannungsbogen von der ersten bis zur letzten Sekunde in dem packenden Liebes- und
Spielerdrama von Peter I. Tschaikowski. Ein vom ersten Ton an glänzend disponierter, mit
Strahlkraft singender Plácido Domingo gab einen ergreifenden Hermann. In seinem Gesang
und in seiner Darstellung lotete er alle Facetten des von Liebe und Leidenschaft zur Lisa
und zum Kartenspiel getriebenen Charakters aus, der am Ende die Gräfin, Lisa und sich
selbst zerstört. Von russischer Seite erhielt er zudem großes Lob für seine deutliche,
russische Aussprache. In den beiden russischen Baritonen Sergej Leiferkus als sein Freund
Graf Tomski und Dimitri Hvorostovsky als Fürst Jeletzki fand er ebenbürtige
Sangeskollegen, deren Stimmen baritonalen Hochgenuß verbreiteten. Hochgewachsen, ja
majestätisch in seiner Gestalt, spielt Dimitri Hvorostovsky nicht nur einen Fürsten, er
ist es. Wie sich seine Stimme mit deren Plácido Domingos im ersten Bild kontrastierte,
war vom Feinsten.
Dimitri Hvorostovsky und Galina Gorchakova
Großen Beifall erntete zurecht auch Rita Gorr als Gräfin in der Titelpartie. Als die
73jährige Mezzosopranistin, die in den 50er und 60er Jahren zu einer der gefeiertsten
Sängerinnen ihres Faches zählte, ihre Arie in Erinnerung an ihre Jugend in Paris im
feinsten Piano sang, hätte man die berühmte Stecknadel fallen hören können. Mit Galina
Gorchakova gab eine aufstrebende, junge Sopranistin mit klarer Stimme in der Mittellage
und viel Gefühl eine innerlich zerrissene Lisa, die in den Höhen jedoch etwas zum
Tremolo neigte.
Seiji Ozawa am Pult ließ den Sängern alle Zeit, die ganze Dramatik und Tragik, die
russische Melancholie und den emotionsgeladenen Melodienreichtum zu entfalten. Präzise
spielte das Orchester unter seiner Leitung die ganze Vielfalt der Farben und mitreißende
Dynamik aus. Fagotte, Posaunen, Tuba und Pauken malten ein die Spannung treibendes Bild,
die Streicher ließen die Luft vibrieren und die Seele erzittern. Vom ersten Moment an
bahnte die Musik dem Unheil seinen Weg. Das mit feinen Lichteffekten spielende, düstere
Bühnenbild von Andreas Reinhardt in der wohltuend traditionell gehaltenen Inszenierung
von Kurt Horres aus dem Jahr 1982 tat sein übriges hinzu. Der Opernbesucher sah kein
Spiel, sondern wurde zum Zeuge der Handlung von Alexander Puschkins Novelle.
Der im Programmheft zitierte Wunsch Pjotr Iljitsch Tschaikowskis ging in Erfüllung:
'Ich schrieb sie mit ungewöhnlichem Feuer und Enthusiasmus, habe alles Geschehen in ihr
lebendig durchlitten und mitempfunden (das ging so weit, daß ich mich eine Zeitlang vor
der Erscheinung des Gespenstes aus Pique Dame fürchtete) und hoffe nun, daß all meine
Begeisterung, Erregung und Hingabe in den Herzen der empfänglichen Hörer ihren Widerhall
finden werde.' Sie tat es bei einem unvergeßlichen Abend !
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