Die Wiener Staatsoper im April 2002
Don
Carlo – Tosca – Parsifal
Carlos Alvarez
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Ferruccio Furlanetto
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Don
Carlo – Verdis Meisterwerk an der Wiener Staatsoper ist immer
wieder aufs Neue ein Genuß. Möge diese Pizzi-Inszenierung noch lange dem
Publikum erhalten bleiben und angebliche bestehende Pläne, sie mit einer
neuen Produktion zu ersetzen, nicht realisiert werden. Besser geht es
kaum, Verdis Klassiker auf die Bühne
zu bringen. Hier kann sich alle innere Zerrissenheit, alles
menschliche Leid wie auch die heroischen Momente voll entfalten. Da gibt
es keine Unstimmigkeiten zwischen Musik und Optik, zwischen Libretto und Bühnenbild
bzw. Handlung. Alles Modernisierte könnte nur schlechter, nur am Werk
vorbei sein. Don Carlo benötigt keine Modernisierung. Der geschichtliche
Hintergrund ist historisch und das Duett zwischen Philipp II. und dem Großinquisitor
paßt auch in keine andere Zeit, denn es hat diese Konstellation der
weltlichen Machtfülle einerseits und des unbedingten Gehorsams gegenüber
der kirchlichen Machtstellung andererseits so nie wieder in der westlichen
Hemisphäre gegeben. Zeitloser sicherlich dagegen der innere Konflikt Philipps. Auf der Höhe der Macht war, ist und wird es immer einsam sein.
Privates Glück, zumal erzwungenes – etwas, was in dieser Art so heute
auch nicht mehr in der christlichen Welt vorkommen würde -, mit Erfolg im
Berufsleben und in der Politik zu vereinbaren, fällt bis heute schwer.
Aber, um dies zu verstehen, benötigt es keiner Modernisierung.
Die drei Don Carlo-Aufführungen
im April (2., 5. und 8.) waren Dank der drei tiefstimmigen, männlichen
Protagonisten einmal mehr ein operales Glanzlicht. Allen voran ein einfühlsam
seinen inneren Zwiespalt über die Bühnenrampe bringender Ferruccio
Furlanetto, der völlig seine Arie 'Ella giammai m'amo' verinnerlicht hat.
Berührend, wie er menschliche Regungen gegenüber seinem Sohn, seiner
Frau und seinem Vertrauten Posa zeigt und anderseits mit kraftvollem Baß
aufzutrumpfen versteht. Nur, warum er auf einmal andeutet, den Großinquisitor
mit dem Kreuz erschlagen zu wollen, bleibt etwas unklar – ist es seine
Rolleninterpretation oder die Abendspielleitung, die diese nicht ganz
passende Szene bewirkte oder soll Philipp II. wirklich einen solch gewalttätigen
Ausbruch haben ? Ihm ebenbürtige
Gegenspieler und Partner sind Eric Halfvarson und Carlos Alvarez. Als
blinder, gekrümmter Großinquisitor wird der amerikanische Baß immer
mehr zum Ebenbild des Papstes und zeigt sich wie dieser trotz Krankheit
willensstark und unbeugsam. Carlos Alvarez ist optisch ein spanischer
Grande in Person. Er verkörpert den mutigen, unerschrockenen, am Ende für
seinen Freund Don Carlos in den Tod gehenden Marquis de Posa vorbildlich
mit seinem stimmgewaltigen, wohlströmenden, in den Höhen sicheren
Bariton, den er in den Piani
auch hervorragend zurücknehmen kann. Mit wechselndem Fortune ausgestattet
ist Keith Ikaia-Purdy, der die Rolle des Don Carlos zu seinen Glanzrollen
zählen darf und sie sich völlig angeeignet hat. In der ersten und
dritten Vorstellung dieser Serie erfüllt er seinen Part sowohl in den
lyrischen wie in den dramatischen Passagen optimal, in der zweiten
Vorstellung gelang ihm dies weniger gut. Dan Paul Dumitrescu macht seine
Sache als Mönch/Karl V. mit seinem dunklen Baß sehr gut. Carol Vaness
ist eine stimmlich wie darstellerisch königlich auftretende Elisabeth. In
der ersten Vorstellung am 2. April sprang Elena Batoukova für Larissa
Diadkova ein und begeisterte mir ihrem angenehmen, dramatischen wie
koloraturensicheren Mezzo. Nicht ganz so überzeugend fiel am 5. April das
Rollendebüt von Larissa Diadkova aus, die mit zuwenig Nuancen in der kräftigen
Mezzo- Stimme sang.
Anthony Michaels-Moore als Rigoletto an der Wiener Staatsoper
(Photos Wien: Axel Zeininger)
Zum Erlebnis wurde die Tosca-Vorstellung
am 16. April 2002, die leider nur eine Vorstellung und keine Serie war,
aber mit dieser Besetzung gerne wiederholt werden dürfte ! Einen
perfekteren Scarpia als Anthony Michaels-Moore kann man sich kaum
vorstellen. Mit größter Eleganz, Noblesse und Kultiviertheit in der
Stimme und in der Erscheinung, mit subtiler Art versucht er Floria Tosca für
sich zu gewinnen. Was mit Schmeichelei nicht gelingt, schlägt von einer
Sekunde zur anderen in Machtdemonstration und Menschenverachtung um.
Dieser Wechsel in der Ausdruckskraft läßt dem Zuhörer einen kalten
Schauer über den Rücken laufen – im Spiel mit Tosca oder im ersten
Akt, wenn Scarpia sein 'Tre sbirri, una carrozza .. Va, Tosca...'
machtvoll und selbstgefällig ihr hinterher schleudert. Damit, daß er sie
am Ende soweit treibt, daß sie ihn umbringen wird, hätte er in diesem
siegessicheren Moment kaum gerechnet ....Man mag fast vergessen, daß dies
alles nur Spiel ist, aber das beherrscht auch Fabio Armiliato als
Cavaradossi hervorragend. So gefühlvoll sang er seine Arien und
Duette und so revolutionär wirkte er in seinem 'Vittoria, vittoria
..' und seinem Auflehnen gegenüber Scarpia.
Bariton und Tenor auf allerhöchstem Niveau ! Köstlich ebenso
Alfred Sramek als Kirchendiener ! Nicht ganz so gut disponiert zeigte sich
Eliane Coelho an diesem Abend -
im Januar im Nabucco auch an der Seite von einem hervorragend disponierten
Antony Michaels-Moore in der Titelpartie hatte sie an drei Abenden
Glanzleistungen in der äußerst schwierigen Partie der Abigaille
vollbracht, aber man kann ja nicht immer gleich gut auf der Höhe sein.
Anthony Michaels-Moore als Enrico in der
Lucia di Lammermoor am Teatro Real, Madrid
(Photo: Javier del Real)
Last not least soll auch ein
Rollendebüt, das eigentlich schon am 28. März 2002 bei der ersten von
drei Parsifal-Aufführungen dieser
Serie stattgefunden hatte, nicht unerwähnt bleiben. Ein deutliches Bravo
für die Vorstellung am 4. April für seinen Parsifal verdiente sich
Torsten Kerl, der auch gerade als Stewa in Janaceks Jenufa an der
Staatsoper brilliert. Wenn er
auch die Chance, so früh schon einen Parsifal zu singen, aus dem
tragischen Umstand des plötzlichen Todes von Gösta Winbergh heraus,
erhalten hat, so füllt er diese Partie doch hervorragend aus – auch
ohne den 'normalen' Weg über Lohengrin und Stolzing gegangen zu sein.
Erfreulich, daß die Wiener Staatsoper eine solche Partie aus dem eigenen
Ensemble besetzen kann und dies sogar ohne eine einzige Orchesterprobe vor
der ersten Vorstellung. Die Vorstellung am 4.April war Eberhard Waechter
zu dessen zehnten Todestag gewidmet. Er hatte seine nur siebenmonatige
Zeit als Staatsoperndirektor am 1.September 1991 mit Parsifal eröffnet
und als Sänger den Amfortas zu seinen beliebtesten Rollen gezählt. Auch
dem 1929 geborenen Bariton war ein viel zu früher Herztod zuteilgeworden.
Die Vorstellung am 4.April unter der musikalischen Leitung von Ulf
Schirmer war eine glanzvolle. Neben den voller Intensität und innerer
Spannung im großen Fluß aufspielenden Orchester waren es vor allem Franz
Grundheber als Amfortas und Violeta Urmana als Kundry, die neben Torsten
Kerl herausstachen.
Birgit Popp
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