Interview anlässlich
der Premiere von Verdis Falstaff
an der Oper Frankfurt
am 9. Februar 2014
Zeljko
Lucic
"Ich bin Falstaff"
Trailer
.Zeljko
Lucic (Falstaff)
und Leah Crocetto (Alice Ford)
Photo: Oper Frankfurt - Monika Rittersshaus
Mit seinem Rollen-Debüt in der Titelpartie von
Verdis 1883 uraufgeführten, letzten Oper Falstaff (Pemiere: 9.
Februar 2014) kehrt Zeljko Lucic an die Oper Frankfurt zurück, zu deren
Ensemble der serbische Bariton von 1998 bis 2008 zählte und von der aus er
seine Weltkarriere startete, die ihn regelmäßig an Häusern wie die New
Yorker MET, die Mailänder Scala, die Wiener Staatsoper, die Pariser
Bastille oder den Londoner Covent Garden führt. Falstaff wird die 19.
führende Bariton-Partie in einer Oper von Verdi (1813-1901) für den
Frankfurter Publikumsliebling sein. Mit dem britischen Regisseur Keith
Warner, der in Frankfurt bereits zahlreiche Opern inszenierte, arbeitete
Zeljko Lucic bereits in Il vuolo di notte äußerst erfolgreich
zusammen, mit dem ersten Gast-Dirigenten der Oper Frankfurt Bertrand de
Billy zuletzt im Juni 2013 bei der Neuproduktion von Verdis Simone
Boccanegra an der Münchner Staatsoper. Im Dezember 2013 eröffnete
Zeljko Lucic mit der auf arte übertragenen Premiere von La traviata
die aktuelle Spielzeit der Mailänder Scala.
? Nach Ihrer großartigen, komödiantischen Gestaltung
des Gianni Schicchi in Puccinis Il trittico an der Oper Frankfurt
im Jahr 2008 haben viele Opernfreunde schon lange auf Ihr Debüt als
Falstaff gewartet. Eine Partie, die von Verdi für Sie geschrieben scheint.
Wieviel John Falstaff findet sich in Zeljko Lucic?
ZL: Wir sind ja noch mitten in den Proben, aber
Regisseur Keith Warner meinte, ich müsste Falstaff nicht spielen, ich sei
Falstaff. Sein Charakter ist schon sehr nah an meinem. Er hat viel Humor,
lacht und isst gerne, genießt das Leben ohne dabei hedonistisch zu sein.
Es gibt viel Falstaff in mir.
? Wobei in Falstaff auch viel Ironie, Einsamkeit und
Philosophieren über das Leben, die Welt und das Älterwerden steckt, vor
allem im Monolog zu Beginn des dritten Aktes.
ZL: Falstaff besitzt viele Seiten. Nachdem er am
Ende des zweiten Aktes in das Wasser geworfen wurde, denkt er über sich
und das Leben nach, wie grausam es sein kann. Er ist traurig, hat keine
Freude mehr am Leben, sieht es sehr schwarz. So wie er denken wir alle
manchmal. Es gibt auch Tage, wo ich alles schwarz sehe und, wie man heute
so sagt, keinen Bock habe. Das sind die Momente, in denen die kleinen
Schwächen kommen, aber man muss immer an sich selber arbeiten und mit dem
nötigen Selbstvertrauen geht es wieder weiter.
? Auch bei Falstaff hält der Moment nicht lange an.
Ein Glas Glühwein reicht schon, um seine Lebensgeister wieder zu wecken….
? Er trinkt viel, aber, was bemerkenswert ist, er
ist nie betrunken. Er weiß immer genau, was er sagen will.
? Verdi, im realen Leben selbst leidgeprüft und
berühmt als Komponist für seine musikalischen Tragödien, hat während der
Arbeit an Falstaff gegenüber einem befreundeten Journalisten zugegeben,
dass er vierzig Jahre lang eine Komödie hätte schreiben wollen, aber es zu
viele Abers gegeben hätte. Librettist Arrigo Boito, der ihn bereits zum
Otello überredet hatte, habe aber alle Abers beseitigt. Zuvor hatte Boito
in einem Brief an Verdi betont, er wolle das Libretto für ein Stück
schreiben, das ‚ein Leben in natürlicher Fröhlichkeit, die andere
ansteckt’ aufzeigt.
ZL: Fröhlichkeit die ansteckt, das ist ihm und Verdi
auch gelungen. Boitos Libretto sprüht vor Wortwitz und Wortspiel. Mir geht
es selber so, wenn ich einmal nicht in guter Laune bin, die Menschen um
mich herum können meine Laune aufheitern. Ich hoffe, das Publikum lässt
sich bei Falstaff von unserer guten Laune anstecken.
? Als Verdi-Bariton stellen Sie vor allem tragische
Charaktere da. Was bedeutet es für Sie, eine Komödie zu spielen?
ZL: Sehr viel. Ich bin eigentlich ein Komödiant und
keine tragische Figur. Ich kann zwar tragische Momente mit meiner Stimme
gut vermitteln, aber eigentlich bin ich ein Komödiant. Ich scherze immer,
mache gerne Witze, benehme mich wie ein Teenager. Mit Humor geht alles im
Leben besser.
? Und laut Falstaff ohne den Ehr-Begriff, wie er
in seinem Monolog gleich im ersten Akt wortgewaltig ausführt. Was bedeutet
für Sie der Begriff Ehre?
ZL: Im Grunde hat Falstaff mit seinem Vortrag
über die Ehre Recht, als seine Diener Bardolfo und Pistola sich auf ihre
Ehre berufend weigern, die identischen Liebesbriefe an Alice und Meg
auszuliefern. Die Ehre kann man ebenso wenig essen wie Geld, sie kann
einen nicht ernähren, keine Laune verbessern, keine Gliedmaße ersetzen.
Ehre ist, wie Falstaff sagt, vor allem nur ein Wort, das für mich dann von
Bedeutung ist, wenn ich z.B. sage, ‚es ist mir eine Ehre, Sie
kennenzulernen’. Das Wort besitzt dann vor allem eine symbolische
Bedeutung, aber ich meine dies sehr aufrichtig. Für mich bedeutet es, dass
ich die Person respektiere und ich gerne in ihrer Gesellschaft bin. Für
viele Menschen ist es aber auch dann nichts anderes, wie wenn sie ‚Guten
Morgen’ im Vorbeigehen sagen. Das Wort Ehre kommt viel zu oft in unserem
Vokabular vor.
? Ein anderes, so wie es Falstaff verwendet,
abgedroschenes Wort ist die Liebe, für ihn wohl vor allem Begehren und im
Falle von Alice und Meg der erhoffte Schlüssel zum Geld?
ZL: Für ihn ja. Was die Vorstellung von Liebe
betrifft, da liegen Falstaff und ich wohl soweit auseinander wie Nord- und
Südpol. Gegensätzlicher könnte es nicht mehr sein. Für ihn geht es nur ums
Geld.
? Wir hatten es zuvor schon angesprochen,
offensichtlich hat Verdi an der Arbeit am Falstaff viel Gefallen gefunden.
Viele Musik-Experten halten diese Oper für sein Credo, Falstaff gar für
einen Anti-Jago. Die Aussagen am Ende der Oper Simone Boccanegra, die 1857
uraufgeführt wurde und in der Glück für den Menschen immer nur ein
Wunschtraum bliebe und er stattdessen zum Weinen bestimmt sei, steht die
Aussage des 1883 uraufgeführten Falstaffs konträr gegenüber: Tutto nel
mondo è burla - Alles in der Welt ist Scherz.
ZL: Ich denke, am Ende werden wir alle sagen, ‚Tutto
nel mondo è burla’, denn am Ende unseres Lebens ist ganz egal, was war,
denn da hat man sein Leben hinter sich. Hat das alles einen Sinn gehabt,
das ist die letzte Frage.
? Aber die Sinn-Frage stellt sich ja oft nicht nur
am Ende eines Lebens?
ZL: Ja, das geschieht auch während unseres Lebens,
dann natürlich mit dem Bestreben, sein Leben zu verbessern bzw. ihm einen
Sinn zu geben. Vielleicht stimmt es schon, dass Verdi in den 26 Jahren,
die zwischen den beiden Uraufführungen lagen, seine Sicht aufs Leben
geändert hat.
? Die Musik der Oper Falstaff, die allgemein wegen
der kunstvoll-genialen Verwebung der Solostimmen als ultimativer Höhepunkt
der Ensembleoper betrachtet wird, besitzt musikalisch alles: eine
fröhliche Leichtigkeit, lyrische Momente, Ausbrüche von Falstaff, Ford,
Dr. Cajus, aber wie bei Verdi üblich, die Orchesterausbrüche gehen nie
gegen die menschliche Stimme…
ZL: Zumindest sehr selten. Einer der Gründe, warum
ich Verdi als Opernkomponist so schätze. In Falstaff übernimmt das
Orchester die Rolle eines Schauspielers und Sängers. Es spielt im wahrsten
Sinn des Wortes mit.
? Wenn man sich Aufnahmen selbst berühmter
Falstaff-Interpreten anhört, fällt auf, dass sie die höheren Töne der
Partitur häufig im Falsett singen, z.B. wenn Falstaff Alice beim ersten
Treffen ein kurzes Ständchen auf der Laute bringt. Sie besitzen sowohl in
der Tiefe als auch in der Höhe einen sehr großen Stimmumfang, wie werden
Sie diese Stellen handhaben?
ZL: Mit einer ganz kleinen Ausnahme, wenn Falstaff
im ersten Akt die Briefe für Alice und Meg an seine beiden Diener
übergeben will, werde ich alles mit meiner vollen Stimme aber im Piano
singen. Es ist weniger die Frage der Höhe als die, ob ein Sänger piano
singen kann.
? Häufige Tempo-, Takt- und Rhythmuswechsel sind
typische Merkmale für Verdis Opern, darin macht auch der Falstaff keine
Ausnahme…
ZL: Aber Falstaff zeigt, wie sich Verdi über die
Jahrzehnte weiter entwickelt hat. Musikalisch betrachten viele
Verdi-Experten Falstaff als sein Capolavoro, sein größtes Meisterwerk. Es
zeigt, wie er in seiner musikalischen Sprache, der Orchestrierung, im
Wechsel des Rhythmus und in der Verwendung der menschlichen Stimme
weitergegangen ist. Gerade, was die menschliche Stimme betrifft, so ist
Falstaff ganz anders, als alles, was er vorher komponiert hat. Im
Vergleich dazu kommt er im Falstaff schon Schönberg nahe.
? Ist Falstaff auch für Sie Verdis bestes Werk?
ZL: Ich kann mir vorstellen, dass ich den Falstaff
nach meinem Rollen-Debüt in Frankfurt noch öfters geben werde, aber meine
Lieblinge bleiben Partien wie Rigoletto und Simone Boccanegra.
Das Interview
führte Birgit Popp
Photos © Oper Frankfurt -
Monika Rittershaus
Der Artikel wurde in Auszügen in der
Frankfurter Neue Presse (
www.fnp.de ) veröffentlicht.
Weitere Informationen zur Oper
Falstaff, Termine, Photos und Video
www.oper-frankfurt.de
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