Ein Beispiel für die Oper mit Kindern:
eine Schüleroper als Auftragswerk der Oper Frankfurt mit Uraufführung
am 14. Juni 2002 an der Oper Frankfurt in Zusammenarbeit mit dem
Frankfurter Lessing-Gymnasium
Dr. Popels fiese Falle
Vorbericht von Birgit Popp
In der Aula des Frankfurter
Lessing-Gymnasiums herrscht rege Betriebsamkeit. Im Hintergrund ist ein
Aluminiumgestell zu sehen, das die Wände einer Wohnung trägt, sich
durch Drehen aber auch in einen Keller oder einen Garten verwandeln
läßt.
Rund 100 Schüler der Jahrgangsstufen 5
bis 13 bevölkern am Nachmittag die Aula. Sie immer konzentriert zu
halten, ist für Regisseurin Aurelia Eggers nicht einfach. Doch die
Disziplin ist sehr groß. Alle fiebern gemeinsam der Uraufführung von
'Dr. Popels fiese Falle' am Freitag, den 14. Juni 2002, um 19 Uhr, in
der Oper Frankfurt entgegen. Plötzlich kommt ein kleiner Junge in die
Aula. Aus allen Ecken erklingt ein freudiges 'Hallo, Manuel'. Der
Kleinste ist zugleich die Hauptperson Abù
bzw. in seinen Abenteuer-Phantasien Prinz Abù Schabù, der
Herrscher über einen prächtigen Palast und ein großes Reich ist.
Die Handlung spielt zwischen Realität
und Gedankenwelt. Abú lebt mit seinen Eltern und seiner Schwester Ola
in einem schäbigen Mietshhaus und flüchtet sich immer wieder in seine
Phantasien, in der er als Prinz Abù Schabù gefährliche Abenteuer vor
allem gegen den bösen Zauberer Dr. Popel besteht. Auf der anderen Seite
gibt es den Komponisten Eggert, der den Auftrag der Oper Frankfurt zum
Komponieren einer Kinderoper erst annimmt, als sie ihn mit 30.000 Euro
reizt. Er haßt Kinder, da sie ihn immer bei der Arbeit stören, und möchte
alle Kinder in Gartenzwerge verwandeln. In seiner Oper wird er zu dem bösen
Zauberer Dr. Popel, der sich vom Popel der Kinder ernährt. Am Ende
bannen Abù und Ola mit Hilfe der 'Riesen' seinen Zauber, die Kinder
werden befreit und schreiben ihre eigene Oper.
Kinderoper – Oper für Kinder – zwei Richtungen mit einem
Ziel, die Heranwachsenden für das Musiktheater und das Genre Oper zu
interessieren. In Frankfurt ist man nun zum dritten Mal den Weg
gegangen, Schüler bei der Einstudierung und Aufführung einer Oper maßgeblich
einzubeziehen und in erster Linie die äußeren Rahmenbedingungen wie Bühnenapparat,
Bühnenbild- und Kostümabteilung (Marion Menziger und Heike Ruppmann),
Regisseurin (Aurelia Eggers), Dirigent (Roland Böer) und
Produktionsleitung (Deborah Einspieler) zu stellen. Von Seiten des
Lessing-Gymnasiums wirken 200 Schüler mit. Die sechs Solo-Partien sind
mit Schülern besetzt. Nur die Rolle des Komponisten/Dr. Popel wird von
einem Bariton (Martin Buse) und die Rolle seines Assistenten
Hauser/Anton von einer Schauspielerin (Stephanie Theiß) gespielt. Da
sich kein geeignetes Werk finden ließ, vergab die Oper Frankfurt Ende
1999 ein Auftragswerk an den 1965 in Frankfurt geborenen Komponisten
Moritz Eggert, dessen Frau Andrea Heuser das Libretto schrieb.
Entstanden ist eine mit Pause rund zweistündige, abendfüllende,
durchkomponierte Oper. Im Orchester werden 89 Schüler spielen, neben
den Solisten werden im Chor der Nachbarskinder 49, im Chor der
Trollgomolle, die Dr. Popel helfen, 21 und im Chor der Riesen weitere 16
Schüler auf der Bühne stehen, die allesamt seit September 2001 die
Aufführung in intensiven Proben vorbereitet haben.
Seit vergangenem Herbst wurde ein- bis
zweimal wöchentlich geprobt. Die auf der Bühne agierenden Kinder haben
seit Januar 2002 etwa 40 oft mehrstündige, szenische Proben absolviert,
in der Regel am Wochenende. Die Orchestermitglieder haben sich seit
September 2001 in etwa 50 Proben mit einer viertägigen Probenphase in
Zwingenberg inbegriffen den Notentext erarbeitet. Zunächst wurde mit
bis zu neun Ensembles parallel geprobt, da der Komponist neben dem
klassischen Sinfonieorchester zusätzlich ein Saxophon- Quartett, ein
Blockflöten- Quintett, zwei Geräuschorchester, ein Rockensemble, ein
Schlagzeugensemble und vier Tasteninstrumente vorgesehen hat. Darüber
hinaus hat die Kunst-AG mit ihren 26 Teilnehmern unter der Leitung von
Mechthild Hastert seit einem halben Jahr intensiv mit der Kostümabteilung
der Oper zusammengearbeitet. So entstanden die Kostüme der Riesen und
zahlreiche Textbeiträge für das Programmheft.
Dieser personelle Einsatz läßt sich nur
unter ganz besonderen Voraussetzungen seitens der Schule leisten. Das
Lessing-Gymnasium ist jedoch kein 'Musik-Gymnasium', sondern ein
altsprachliches, bei dem der Schwerpunkt der freiwilligen Arbeitsgruppen
seit fünf Jahrzehnten auf der Musik liegt und zudem für alle Schüler
der fünften und sechsten Klasse Blockflötenspielen obligatorisch ist.
Begonnen hat diese Aktivitäten Eduard Bruggeier. Fortgeführt wurden
sie durch Wolfram Erb, für den nun die Aufführung der Oper abschließender
Höhepunkt seiner langen Laufbahn als Lehrer ist. Mit dem ehemaligen
Lessing-Schüler Johannes Pfannmüller ist auch die Zukunft gesichert.
Das Gymnasium besitzt neben einer umfangreichen Partiturensammlung rund
150 hochwertige, von den Schüler ausleihbaren Orchesterinstrumente. Mit
ihnen können sie Privatunterricht nehmen und ihre ersten Versuche auf
einen Instrument starten, ohne daß den Eltern hohe Anschaffungskosten
entständen. Drei Orchester besitzt die Schule: das 'Kleine' und das
'Mittlere' mit jeweils 40 und das 'Große' mit 60 Mitgliedern. Die
Zuordnung ist in groben Zügen
nach Jahrgangsstufe aufgeteilt, wichtiger ist jedoch das Können des Schülers
für die Aufnahme in eines der Orchester, wobei das 'Kleine' für die
Anfänger gedacht ist, während beim 'Großen' eine Aufnahmeprüfung
erfolgt. Zweimal im Jahr geben die Orchester der Schule sinfonische
Konzerte. Das Orchester für die Opernaufführung setzt such aus dem
'Mittleren' und dem 'Großen Orchester' zusammen. Außerdem besitzt die
Schule einen permanenten Chor mit rund 130 Mitgliedern.
Birgit Popp
Der Vorbericht ist am 14. Juni 2002 in
der Frankfurter Neuen Presse
in einer gekürzten Fassung erschienen.
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