Der italienische Dirigent und Komponist Giuseppe
Sinopoli ist tot. Er starb im Alter von 54 Jahren gestern Nacht im Herzzentrum des
Virchow-Krankenhauses an einem Herzinfarkt, den er während der "Aida"-Vorstellung
im 3. Akt in der Deutschen Oper erlitten hat.
In der Deutschen Oper Berlin begann vor 21 Jahren mit der Premiere von
"Macbeth" eine Weltkarriere, die am Abend des 20. April 2001 ein jähes Ende
fand. Giuseppe Sinopoli kehrte an diesem Abend zurück an die Wirkungsstätte, der er für
10 Jahre ferngeblieben war. Geplant waren zwei Vorstellungen von Giuseppe Verdis
"Aida" am 20. und 22. April als Zeichen der Versöhnung zwischen Götz Friedrich
und ihm, der 1990 wegen künstlerischer Unstimmigkeiten seinen Vertrag als Chefdirigent
der Deutschen Oper Berlin nicht antrat. Nach dem Tod von Götz Friedrich im Dezember 2000
widmete Giuseppe Sinopoli sein Dirigat dem Andenken an den verstorbenen künstlerischen
Mitstreiter. Im Programmheft schrieb er dazu:
Alles wird nun ohne ihn, aber für ihn geschehen. Ihm widme ich die Empfindungen,
die mir an jenem Abend geschenkt sein werden, in dem Theater, das ich geliebt habe und von
dem ich geliebt wurde, und in das ich zurückkehre, weil Götz mich voller Zuneigung an
die Hand genommen und gebeten hat, keinen Abschnitt unseres Lebens zu vergessen, aber den
anderen, stärkeren, schöneren, wahreren immer in Erinnerung zu halten.
Wenn Götz mich heute zum Pult begleitet, wird es mir scheinen, als wiederhole er mit
klarer überzeugender Stimme die Worte des Ödipus von Sophokles, die er, bevor er die
Szene verlässt, an die Menschen von Kolonos richtet: "...Du und diese Stadt... das
Schicksal sei Euch gnädig, und im Wohlergehen erinnert Euch immer mit Freude an mich,
wenn ich tot sein werde."
Das Zitat münzte sich unversehens auf Giuseppe Sinopoli selbst um in dem Augenblick,
wo er dirigierend zusammenbrach mitten im Nil-Akt der spannungsgeladenen Aufführung, die
Publikum und Ausführende durch seine Vermittlung in größtmögliche emotionale Nähe
brachte.
Die Musikwelt hat einen der faszinierendsten Dirigenten verloren. Viele Mitarbeiter der
Deutschen Oper Berlin haben einen Freund verloren, einen künstlerischen Lehrmeister, von
dem man hoffte, dass er in der näheren Zukunft wieder öfter in der Bismarckstraße an
das Dirigentenpult treten würde.
Giuseppe Sinopoli, Dirigent (Swarowsky-Schüler), Komponist,
Mediziner, Archäologe u.a.m., wurde 1946 in Venedig geboren, gab 1976 sein Debüt mit
"Aida" in Venedig und startete seine internationale Karriere, die ihn an die
großen Opernhäuser in aller Welt führte, 1980 mit der Premiere von Verdis
"Macbeth" an der Deutschen Oper Berlin. Diese aufsehenerregende Produktion
machte einen völlig neuen Blick auf Verdi möglich. Seit 1985 stand Sinopoli regelmäßig
am Pult der Bayreuther Festspiele, im vergangenen Sommer dirigierte er dort den "Ring
des Nibelungen". In Dresden, wo er seit 1992 die Staatskapelle leitete, und wo er ab
2003 als Generalmusikdirektor auch die musikalischen Geschicke der Semperoper in Händen
halten sollte, war er vor allem auch als Strauss-Spezialist gefragt. An der Deutschen Oper
Berlin dirigierte er weitere Premieren von "Das Mädchen aus dem goldenen
Westen" (1982), "Simon Boccangera" (1984), "Madame Butterfly"
(1987), "Arabella" (1989), "Salome" (1990), "Otello" (1991)
sowie "Nabucco" und mehrere Konzerte. Mit Götz Friedrich hatte Sinopoli 1981
seine einzige Oper "Lou Salomé" in München herausgebracht und später auch in
München und London zusammengearbeitet.
DOB