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Premiere Frankfurt Cavalleria - Pagliacci
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Oper Frankfurt: 3.April
1999 Neuinszenierung
Cavalleria
rusticana
Pagliacci (Der Bajazzo)
Packende Neuinszenierung von 'Cavalleria rusticana' und 'Pagliacci'
unter der Regie von Giancarlo del Monaco und dem Dirigat von Paolo Carignani
Gesamteindruck
- Ensemble - Inszenierung
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Szenenbild 'Cavalleria rusticana'
Photo: Andreas Pohlmann,München, Text: Birgit Popp
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Passend zum Inhalt von 'Cavalleria rusticana', die am
Ostersonntag ihren tragischen Verlauf nimmt, hatte die Neuinszenierung von den
'siamesischen Zwillingen' 'Cavalleria rusticana' und 'Pagliacci' am Vorabend des
Ostersonntages Premiere am Frankfurter Opernhaus. Eine packende, in ihrer Klarheit und
Strenge faszinierende Inszenierung lieferte Giancarlo del Monaco vor allem mit Mascagnis
'Cavalleria rusticana' ab, die musikalisch wie szenisch unter die Haut ging. In seiner
ersten Neuinszenierung am Frankfurter Opernhaus entlockte der designierte Frankfurter
Generalmusikdirektor Paolo Carignani dem Frankfurter Museumsorchester, das erstmals in
orginal-italienischer Sitzordnung Platz genommen hatte und somit den hohen Streichern ein
stärkeres akustisches Gewicht gab, ein wahres Klangfeuerwerk von den
süßlich-folkloristisch angehauchten bis feierlich-religiösen Momenten zu den
spannungsgeladenen Duetten und der sich in geballter Kraft entladenden Dramatik.
Wie aus einem Guß dabei die sängerischen Leistungen vor allem in der 'Cavalleria'.
Allen voran Hubert Delamboye (Turiddu), dessen einschmeichelnder Tenor vom ersten Ton an
für sich einnimmt und der alle Schwierigkeiten der Partitur mit großer Sicherheit und
Leichtigkeit meistert und mit seiner bemerkenswerten Phrasierkunst überzeugt. Zugleich
ist der Niederländer in seiner Darstellung ein überzeugender 'Macho'. Kalt und
abweisend, voll verletztem Stolz ertappt worden zu sein, dessen kaltes Auftreten erst
angesichts des nahen Todes auftaut. Ihm nicht nach steht die restliche Besetzung und der
von Andrés Máspero hervorragend einstudierte Chor der Oper Frankfurt. Monika Krause
glänzte als Santuzza mit ihrem klaren, ausdrucksvollen, nuanciert klingenden Sopran.
Carlos Almaguers kraftvoll, warmer Bariton verlieh dem Fuhrmann Alfio ein freundlich und
doch bestimmtes Auftreten, daß sich am Ende zur entschlossenen Rache wandelt. Ebenso
bestens besetzt ist Anny Schlemm als Turiddus Mutter Lucia und Gudrun Pelker als
verführerische Lola.
Gegen diesen kleinen Diamanten hatte es die Besetzung von 'Pagliacci' etwas schwer zu
bestehen, wenngleich auch hier die Personen allein schon vom Äußerlichen her sehr
treffend besetzt waren. Adrian Thompson als untersetzter Komödianten-Prinzipal Canio; die
zierliche Dunja Simic als seine unglückliche, junge Frau Nedda; ein stimmlich wie
darstellerisch glänzend disponierter Peter Marsh als um Frieden in der Truppe bemühter
Peppe; ein solider, aber an diesem Abend nicht ganz in Bestform singender Zeljko Lucic als
zupackender Bauer Silvio und Claudio Otelli als seine Kräfte und Gefühle nicht immer
beherrschender, von Eifersucht und verletztem Stolz getriebener, weil von Nedda
abgewiesener Komödiant Tonio, der mit seinem vollmundig strömenden Bariton in seinem
Prolog das Frankfurter Publikum begeisterte.
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Zeljko Lucic
Dunja Simic
Photo: Andreas
Pohlmann, München
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Eine Entdeckung ist sicherlich die mit großem
Stimmvolumen ausgestattete Dunja Simic, die ab der Spielsaison 1999/2000 fest zum
Frankfurter Ensemble zählen wird. Die noch sehr junge Belgraderin dürfte sich allerdings
gelegentlich etwas mehr zurücknehmen und den Piani mehr Verinnerlichung geben. Adrian
Thompson hatte seinen stärksten Moment in 'Recitar! .. Vesti la giubba', das er zudem im
Liegen singen mußte, während ansonsten sein starkes Vibrato eher störend wirkte. |
Giancarlo del Monaco hatte mit Bühnenbildner Wolf Münzner ein Bühnenbild aus Schwarz
und Weiß, aus Licht und Schatten gestaltet. Beide Stücke spielen vor der zur rechten
Seite gelegenen Kirche. Links eine grell angestrahlte, in der 'Cavalleria' wie in der Flut
des Sonnenlichtes liegende Häuserfront, an der auf schräger Treppe empor der Männerchor
positioniert wird. Die hintere Seite des Platzes begrenzte in der 'Cavalleria' eine
weitere weiße Häuserfront, deren Treppenstufen dem Frauenchor Platz bieten. Diese
Häuserfront wird in 'Pagliacci' gedreht, stattdessen wird eine schwarze Hauswand mit
Gerüst sichtbar, das in die Spielhandlung einbezogen wird. In beiden Opern ist zu Beginn
des Stückes ein roter Vorhang quer über den Platz zugezogen, den Santuzza wie den
Schleier vor ihrem Leben öffnet und am Ende wieder schloß und vor dem Tonio seinen
Prolog in 'Pagliacci' singt, bevor er ihn zum Beginn der eigentlichen Handlung öffnet und
ihn am Ende wieder schließt. Einen weiteren gemeinsames Handlungsutensil ist das
tödliche Messer. Alfio steckt es an den rechten Bühnenrand, nachdem er im Zweikampf
Turiddu getötet hat, damit es später von Tonio wieder aufgenommen und Canio zum Mord an
seiner Frau Nedda in die Hand gedrückt werden kann. Beide Regiekonzepte sind schlüssig,
geben sich keine Blößen in Ungereimheiten.
Das folkloristisch-fröhliche Element in der 'Cavalleria' hat del Monaco völlig
entfernt. Von Anfang an wird die Bedrohung Santuzza durch die Männerwelt des Dorfes, ihre
Ausgegrenztheit durch ihre 'wilde Ehe' mit Turiddu offenkundig. Er hat ihr zwar mehrfach
die Ehe versprochen, doch sein Versprechen nicht erfüllt und weist sie am Ende zu Gunsten
seiner mittlerweile verheirateten Jugendliebe Lola zurück. Angesichts des Zweikampfes mit
Lolas Mann, dem Fuhrmann Alfio, der nach sizilianischem Recht und ländlichem Ehrbegriff
(Cavalleria rusticana) Rache fordert, zeigt Turiddu zwar Reue. Er sorgt sich um Lolas
Zukunft, wenn er nicht mehr da ist, und bittet seine Mutter, sich um Lola zu sorgen. Sein
eiskaltes Verhalten gegenüber Santuzzas Flehen, ihn nicht zu verlassen, läßt zwar diese
plötzliche Wandlung verwunderlich erscheinen, aber eigentlich hat sie Mascagni in seinem
1890 als Sieger eines Kompositionswettbewerbes für Einakter uraufgeführten Geniestreich
schon in der Musik angelegt. Obwohl Turiddu seine bisherige Geliebte Santuzza scharf von
sich weist und verächtlich behandelt, so verächtlich, daß es wie aus dem Leben
gegriffen scheint, vereinen sich die Stimmen beider doch wie in einem allerschönsten
Liebesduett. Die Musik nimmt die Wandlung Turiddus zum angesichts seines baldigen Todes um
Santuzza sich sorgenden Mannes vorweg.
Einer der herausragendsten Einfälle Mascagnis ist das sinfonische Zwischenspiel. Das
Schicksal ist längst entschieden, die Dinge nehmen ihren Lauf, nachdem Santuzza Alfio
verraten hat, daß seine Frau und Turiddu ein Verhältnis haben. Anders als im Libretto
treten Alfio und Santuzza nach ihrem Duett nicht gemeinsam ab, sondern nur der Fuhrmann.
Santuzza, ihren Verrat bereuend, legt sich als reuige Sünderin in Kreuzform auf den
Boden. Genau im warmen, geblichen Lichtschein, der aus der Kirche fällt und sich abhebt
von der schwarz-weiß-grauen Kulisse. Als die Kirchgänger freudig parlierend
heraustreten, erhebt sich Santuzza, bleibt aber abseits als Beobachterin der Szene. Bei
del Monaco werden Santuzza und Mama Lucia Zeuginnen des schnell mit dem Tod Turiddus
entschiedenen Zweikampfes mit Alfio. Der Kampf findet nicht hinter den Gärten sondern auf
dem Kirchplatz statt. Eine Änderung, die das Gefühl der Präsenz für den Zuschauer aufs
Höchste steigert. Er wird der Entscheidung teilhaftig, in deren Entwicklung er in einem
Endstadium hineingetaucht wurde. Gerade dieser kurzer, hochdramatischer Handlungsablauf
ist das Typische der veristischen Oper, zu deren Hauptvertretern 'Cavalleria rusticana'
und 'Pagliacci' gezählt werden, denen del Monaco jedoch vor allem im ersteren der beiden
Werke gekonnt expressionistische Züge verleiht.
Wie del Monaco selbst sagt, wollte er in beiden Stücken arme, primitive Leute
darstellen. Doch während die Sizilianer zu stolz seien, um ihre Armut zu zeigen,
offenbart sie sich in 'Pagliacci' insbesondere bei der Schauspieltruppe. Menschen auf
niedrigstem Niveau und entsprechend sind ihre Umgangsformen. Hier bleiben die Gefühle
nicht hinter Ritualen und Konventionen verborgen. Tödlich ist der Ausgang in beiden
Fällen, aber hier zeigen auch die Männer Gefühlsausbrüche und auch hier ist die Frau
letztendlich nur Objekt der Liebesbegierde. Vielleicht hätte es in dieser Inszenierung
gut getan, anders als gewohnt, 'Pagliacci' an den Anfang zu setzen. Zu gebannt, zu
gefesselt, ist der Opernbesucher von der Schlichtheit und Klarheit und von der
musikalischen Präsenz der 'Cavalleria', als daß er sich so einfach in die Welt der
Pagliacci und ihrem Tumult und Primitivität entführen lassen will. Die Gedanken kehren
unweigerlich zur 'Cavalleria' zurück, wenngleich Leoncavallos Melodien in 'Pagliacci'
nicht weniger direkt ins Gefühl treffen.Es war auf jeden Fall ein beeindruckender
Opernabend, der einen Besuch lohnte.
Weitere Vorstellungen sind am: 5., 8., 10., 17., 23., 30. April. 3. und 15. Mai
1999.
Buchtip: Kurt Pahlen 'Cavalleria rusticana', Piper - Schott
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