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Roberto Devereux an der Wiener Staatsoper

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Wiener Staatsoper, Premiere 7. Dezember 2000

Roberto Devereux

Ein Fest der schönen Stimmen

Am 7. Dezember 2000 wurde unter der musikalischen Leitung von Marcello Viotti die Erstaufführung von Donizettis 1837 in Neapel uraufgeführtem Opern-Drama um Liebe, Verrat und Eifersucht in der Inszenierung von Silviu Purcarete und der Ausstattung von Helmut Stürmer zum großartigen Erfolg für Edita Gruberova als Königin Elizabeth I., Ramón Vargas in der Titelpartie als Roberto Devereux und Ekelejda Shkosa als Sara, der Herzogin von Nottingham. 

Zehn Jahre hat Edita Gruberova die Partie der Elisabetta (Elizabeth I.) erarbeitet, seitdem sie sie zum ersten Mal konzertant in Wien gesungen hat. Heute sagt sie, es ist ihre Lieblingspartie. Wer Edita Gruberova im Roberto Devereux erlebt hat, kann diese Vorliebe leicht nachvollziehen. In dieser Oper Donizettis kann die führende Koloratursopranistin der Welt - gerade hat sie erneut bei der Gastspieltournee der Wiener Staatsoper im Herbst in Japan großartige Erfolge gefeiert - ihr ganzes Können, ihre mit größter Leichtigkeit in die höchsten Höhen geführten Koloraturen, ihre Nuancen von feinsten Piani, bei denen man im Zuschauerraum die berühmte Stecknadel fallen hören könnte, bis zu den leidenschaftlichen Ausbrüchen, ihren ganzen Farben- und Ausdrucksreichtum dem Publikum auf einem silbernen Tablett präsentieren. Dementsprechend anhaltend und begeistert war der Applaus, den sie am Premierenabend erhielt. Faszinierend und ergreifend, wie sie die alternde, kurz vor ihrem Tod stehende, von Gicht und Selbstzweifeln wie von Eifersucht und unerfüllter Liebe geplagte Königin darstellt. Hier die Primadonna assoluta, dort die absolute Herrscherin, die trotz Parlament und Staatsrat fast die alleinige Macht im Staat verkörperte und die ganze zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts hindurch die Geschicke ihres Landes bestimmte und ein ganzes Zeitalter prägte. Andererseits aber auch immer wieder ihre persönlichen Gefühle der Staatsräson unterordnete. Letztendlich liefert sie Roberto Devereux aus Eifersucht seinen politischen Gegnern aus und stimmt dessen Hinrichtung zu, die sie jedoch noch vor ihrer Vollstreckung - zumindest in Donizettis Oper - schon wieder bereut, wenn auch zu spät, um ihren einstigen Geliebten vor dem Tod zu retten.

Bei einer solchen Oper, die ganz auf den Koloratursopran zugeschnitten ist, der sie im Falle Roberto Devereux auch noch wiederentdeckt und dafür gesorgt hat, daß diese Oper überhaupt im Spielplan der Wiener Staatsoper erscheint, haben es die anderen Protagonisten natürlich schwer zu bestehen. Doch was zur Erstaufführung von Roberto Devereux, der bisher in Wien nur 1844 am Kärtnertortheater zwei szenische Aufführungen erlebt hatte, an der Wiener Staatsoper aufgeboten wurde, war ein Quartett an schönen, ausdrucksvollen Stimmen, das in der Premiere allerdings durch die Erkrankung von Carlos Alvarez nicht gänzlich zur Entfaltung gelangen konnte. Yu Chen, der den spanischen Bariton in der Premiere und der zweiten Vorstellung vertrat, besitzt zwar eine melodische Stimme, die aber für das große Haus (zumindest noch) zu klein ist, die vor allem in den Piani in den tieferen Lagen kaum in den Zuschauerraum hinüber gelangt und der es an Ausdruckskraft und Ausstrahlung fehlt. Eigenschaften, die Carlos Alvarez, der bereits in Zürich an der Seite von Edita Gruberova den Herzog von Nottingham erfolgreich verkörpert hatte, im großen Maße mitbringt und zudem eine Bühnenpräsenz, die vom ersten Augenblick seines Erscheinens gefangen nimmt. Es bleibt nur zu hoffen, daß Carlos Alvarez in den Reprisen den ihn zugedachten Platz in diesem erstklassigen Quartett wieder einnehmen kann.

In Hochform präsentierte sich dagegen Ramon Vargas, einer der weltbesten lyrischen Tenöre, der das gewisse Etwas, den gewissen Schmelz und Glanz in seiner geschmeidig geführten Stimme besitzt, um die Menschen zu berühren und zu begeistern. Mit wunderschönen Piani wie Crescendi und gutem Rhythmusgefühl singt er die Partie des Roberto Devereux und glänzt mit der Arie 'A te dirò.../Come uno spirto angelico ...'. Für den mexikanischen Tenor, der seinen internationalen Durchbruch in Europa erzielt hat und heute an allen bedeutendsten Häusern der Welt regelmäßig gastiert, so neben der Wiener Staatsoper an der MET, dem Zürcher Opernhaus, dem Covent Garden, der Pariser Opéra Bastille und der Mailänder Scala, ist eine überzeugende Verkörperung des Abenteurers und Künstlers, des jugendlichen, leidenschaftlich Verliebten. Allerdings gilt seine Liebe nicht (mehr) der Königin sondern Sara, der Herzogin von Nottingham, die die Ehefrau seines besten Freundes und die Vertraute Elisabettas ist. Er ist stolz und arrogant und liefert sich seinen politischen Widersachern aus, die dem ehemaligen Günstling der Königin wegen seines milden Verhaltens den irischen Rebellen gegenüber des Verrates anklagen und ihn zum Tode verurteilen, als er Elisabetta ins Angesicht sagt, daß er sie nicht lieben würde. Als er aber auch nicht bereit ist, den Namen seiner neuen Liebe preiszugeben, unterzeichnet die eifersüchtige Königin das Todesurteil.

An einer Schärpe, die Sara Roberto zum Abschied geschenkt hatte, erkennt der Herzog von Nottingham, daß seine Frau die, wenn auch nie ein Ehebruch vollzogen wurde, Geliebte Robertos ist. Er verhindert daraufhin, daß Sara der Königin einen Ring von Roberto bringt. Einst hatte Elisabetta versprochen, wenn immer ihr dieser Ring überbracht werde, würde sie Roberto aus jeder Gefahr erretten. Längst ist ihrer Eifersucht schon wieder Zweifel und Tatenlosigkeit gewichen und sie hofft, diesen Ring von Roberto zu erhalten. Doch als Sara endlich ihrem Mann entfliehen kann, ist es zu spät, das Henkerbeil ist gefallen. In der Rolle der Sara gibt die junge Mezzosopranistin Enkelejda Shkosa ihr Debüt an der Wiener Staatsoper mit einer ausdrucksvollen, schön gefärbten Stimme. Die Albanierin, die heute in Italien lebt, hat in ihrer Heimatstadt Tirana und am Mailänder Giuseppe Verdi-Konservatorium studiert und in der Zwischenzeit an vielen großen internationalen Opernhäusern wie der Mailänder Scala, der Opéra Bastille oder dem Covent Garden in Rollen wie Madalema (Rigoletto), Suzuki (Madama Butterfly) oder der Dorabella (Così fan tutte) debütiert. Im Mai 2001 wird sie an der Wiener Staatsoper außer in Roberto Devereux auch als Giulietta in Les Contes des Hoffmann im Haus am Ring zu hören sein.

Donizettis Kammerspiel konzentriert sich ganz auf die vier Protagonisten. Die beiden Widersacher Robertos, Lord Cecil (Cosmin Ifrim) und Sir Gualtiero Raleigh (David Cole Johnson) und der Chor (Einstudierung: Ernst Dunshirn) haben dabei nur stichwortgebende bzw. kommentierende Funktionen, wenngleich sie diese bestens erfüllen.

Die Klammer, die alles zusammenhielt, Sänger und Orchester zu Höchstleistungen anspornte und für ein perfektes Zusammenspiel zwischen Sängern und Musikern sorgte, war Marcello Viotti am Pult des Wiener Staatsopern-Orchesters. In filigraner Probenarbeit hatte der Donizetti-Liebhaber die häufig wechselnde Dynamik (Klangstärke) und Tempiunterschiede ebenso wie die Artikulierungen und die Raffinessen der Partitur und der Instrumentierung aufs Feinste herausgearbeitet. Schon in der Ouvertüre kamen die Eleganz, Brillanz und der Esprit des Stückes zur vollen Entfaltung.  

Donizettis geschlossenes, atmosphärisch dichtes musikalisches Kunstwerk wurde 1837 am Teatro San Carlo in Neapel uraufgeführt und ist das letzte Werk in seiner Tudor-Königinnen-Tetralogie. Ganz eindeutig weist Donizetti mit diesem Werk den Weg, den er selbst allerdings nicht weiterverfolgt hat, zu Verdi. Der junge Komponist war 1839 zur selben Zeit an der Scala in Mailand tätig, als dort die Probearbeiten für Roberto Devereux und zahlreiche Aufführungen stattfanden. Er ließ sich offensichtlich von vielen Passagen für seine späteren Werke inspirieren. Am deutlichsten wird dies mit der Ulrica-Szene in Un ballo en maschera, deren Musik dem Beginn von Robertos Arie im dritten Akt entnommen ist. Aber auch in Nabucco und Rigoletto finden sich deutliche Anlehnungen an Roberto Devereux. Donizetti und sein Librettist Cammarano schufen ein für Opernverhältnisse auffallend historisch korrektes Werk, in denen die historischen Personen allen voran Elisabeth I. aber auch Roberto Devereux in ihren Persönlichkeiten recht treffend dargestellt werden. Als Roberto Devereux am 25. Februar 1601 hingerichtet wurde, war er 34 Jahre alt, Elizabeth I. 67. Sie dankte zwar nicht mit seinem Tod ab, starb jedoch zwei Jahre später und gab zuvor ihre Krone an Jakob I. weiter.

In einer ihren letzten Reden vor dem Parlament wies sie auf die Bürde hin, die es bedeutet, eine Krone zu tragen. Die letzten Lebensjahre der als gute Tänzerin bekannte und dem Leben und den Künsten zugetane Monarchin waren von Einsamkeit und Melancholie geprägt. Um so beeindruckender ist die Schlußszene der Oper am Ende des 3. Aktes, als die Aria finale Edita Gruberova noch einmal die Gelegenheit gibt, ihr ganzes bravouröses Können zu entfalten. Das hierbei auf den begleitenden Chor verzichtet wurde, verstärkt nur noch das Gefühl der Einsamkeit und läßt Mitleid für die Königin aufkommen, als diese ihre Juwelen wegwirft und die Perücke abreißt. Das Logen-Theater, das bis dahin das Bühnenbild gebildet hat, ist im Bühnenboden verschwunden und erschienen - erst mystisch verklärt, dann immer deutlicher herausgearbeitet - ist eine übergroße Statue der Elizabeth I., so, wie sie in die Geschichte eingegangen ist. Davor die einsame, alte und gebrechliche Privatperson. Macht, Reichtum, Schönheit - wo ist deren Wert geblieben ?

Birgit Popp

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