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Il barbiere di Siviglia am Zürcher Opernhaus

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Premiere Opernhaus Zürich, 31. März 2001

Barbiere di Siviglia


Photo: Oper Zürich

Nur sehr selten vereint sich schauspielerisches Talent und Komik so sehr mit sängerischer Brillanz wie in der Neuinszenierung am Zürcher Opernhaus von Rossinis Meisterwerk 'Il barbiere di Siviglia' mit Manuel Lanza in der Titelpartie als Figaro, Vesselina Kasarova als Rosina, Reinaldo Macias als Conte Almaviva, Carlos Chausson als Bartolo und Nicolai Ghiaurov als Don Basilio. Ebenso selten dürfte ein Opernabend so unterhaltsam und komisch sein, ohne in Klamauk zu verfallen, wie in dieser Inszenierung von Grischa Asagaroff und der Ausstattung von Luigi Perego und unter der musikalischen Leitung von Nello Santi, der in diesem Jahr sein 50. Bühnenjubiläum feiert und nichts von seiner Spritzigkeit verloren hat. Ein köstlicher Opernspaß, nicht nur für den versierten Operngänger !

'Vita, gioia e felicità ! Rossinis Musik strahlt wie die Sonne, strotzt vor Lebensfreude, läßt einem das Leben genießen. Die Einmaligkeit des Komponisten, sein Genie ist in jeder Note spürbar." (Nicolai Ghiaurov)

Il Barbiere di Siviglia ist nicht nur das Meisterwerk Rossinis sondern darf als 'das' Meisterwerk der komischen Oper schlechthin angesehen werden, wie sein Protagonist Figaro zum Barbier aller Barbiere wurde, ja sein Name zum Synonym dieses Berufstandes. Grundlage für die am 20. Februar 1816 in Rom uraufgeführte Oper von Goacchino Rossini (1792 - 1868) und das Libretto von Cesare Sterbini war die 1775 mit großem Erfolg herausgebrachte, gleichnamige Komödie von Beaumarchais, die den ersten Teil seiner Triologie der Familie Almaviva darstellte. Bereits zehn Opern hatten diesen Stoff zum Inhalt, als Rossini in nur knapp einem Monat - deshalb auch mit einigen Anleihen aus seinen früheren Werken - erst 23jährig seine bereits 17. Oper komponierte. Das bekannteste Werk war die 1782 von Paisiello vertonte gleichnamige, häufig gespielte Oper, weshalb Rossini seinem Werk für seine Uraufführung auch den Titel 'Almaviva' gab. Die Uraufführung geriet nicht nur wegen der Schmähungen durch die Paisiello-Anhänger zu einem Fiasko, doch bereits bei der zweiten Vorstellung trat Rossinis Version ihren enthusiastisch gefeierten Siegeszug an und verdrängte schnell - seit August 1816 ebenfalls unter dem Titel 'Il barbiere di Siviglia' - Paisiellos Oper von den Bühnen. Sterbini und Rossini hatten nicht nur ein Remake von Paisiellos Arbeit geliefert, sondern sich eingehend mit der literarischen Vorlage auseinandergesetzt und den Personen eine intensive musikalische Charakterisierung verliehen. Viele der brillanten Solonummern wurden schnell zu Ohrwürmern, wenngleich die Ensembleszenen und die Rezitativen mit ihren schnellen Parlandi ebenso faszinierend sind.

Im Mittelpunkt steht der gerissene und lebenslustige Figaro (Bariton), seines Zeichens Barbier, der jedoch wie damals üblich nicht nur das Handwerk des Frisierens, Bartschneidens und Dauerwellelegens beherrschte, sondern ebenso Perücken anfertigte, als Apotheker diente, Aderlässe machte und vor allem auch als Überbringer von Botschaften und als Kuppler in Siviglia fungierte. Kurz gesagt, ein Mensch, der alles weiß und überall seine Finger im Spiel hat - eben das Faktotum der Stadt -, dabei liebenswürdig und diskret ist und vor allem einen Ideengeber kennt: das Geld. Als agiler 'Jungunternehmer' hat er einen gewissen Reichtum erworben - in der ins frühe 20. Jahrhundert verlegten Zürcher Neuproduktion mit einem schicken Motorrad mit Seitenwagen zum Ausdruck gebracht. Er überspringt die Stände, behandelt den Grafen Almaviva, dessen Kammerdiener er einst war, wie einen Gleichgestellten und läßt sich durch nichts und niemanden einschüchtern. Am besten rührt er die Werbetrommel für sich selbst, wie in seiner Auftrittsarie 'Largo al factotum'. Sein Erscheinen wird vom Orchester schon angekündigt und somit die Bedeutung seiner Person unterstreichen und es wird klargestellt, daß die Hauptperson des Stückes gleich ihren Auftritt haben wird. Mit Figaros Hilfe gelingt es dem Liebespaar Rosina (Mezzosopran) und dem Graf Almaviva (Tenor), der sich bis zum Zeitpunkt seiner Heirat als der Student Lindoro ausgibt, gegen den Widerstand von Rosinas Vormund zu heiraten. Der in dieser Inszenierung im besten Mannesalter befindliche Arzt Bartolo (Baß-Buffo) hält sein reiches Mündel wie eine Gefangene, weil er Rosina selbst ehelichen möchte. Unterstützt wird er bei diesem Bestreben von Don Basilio, dem intriganten Musiklehrer Rosinas. Weitere Personen des Stückes sind Fiorello (Baß), der Diener des Grafen, und das Dienerpaar von Bartolo, der schläfrige Ambrogio (Baß) und die alternde Magd Berta (Sopran).

Rossinis Musik ist mitreißend, pulsierend, fesselnd und voller Ironie und Witz. Sie erinnert im Rhythmus an vielen Stellen an die Maschinen des einsetzenden Industriezeitalters, deren Rhythmus die Menschen beherrschen wird, wie sie in Rossinis Oper vom Rhythmus der Musik beherrscht werden. Rossinis Belcanto-Stil fordert von den Sängern große Gesangsakrobatik, Agilität und technische Raffinesse, zudem hohes schauspielerisches und komisches Talent. Abgesehen von der notwendigen Flexibilität verlangt sie vom Sänger des Figaros eine für einen Bariton sehr hohe Stimmlage (Tessitura). Der spanischen Bariton Manuel Lanza, der zu den regelmäßigen Gästen an Häusern wie der Wiener und Münchner Staatsoper, der Scala, dem Zürcher Opernhaus und zahlreichen führenden Opernhäusern in Nord- und Südamerika einschließlich der MET zählt, hatte in Zürich bereits in der alten Barbier-Produktion mit großem Erfolg die Titelrolle gesungen. Für ihn ist der Figaro eine Glanzpartie, die er mit umwerfender Komik und Mimik und wohlklingender, in allen Lagen geschmeidiger Stimme mit großer Lebens-, Sing- und Spiellust verkörpert. Der kubanisch-amerikanische Tenor Reinaldo Macias, der viele Jahre zum Opernhaus in Zürich gehörte, hatte sein berufliches Debüt 1989 in der Rolle des Grafen Almaviva, in der er auch an der Wiener, der Hamburger und der Münchner Staatsoper debütierte. Sein reiner, sicher geführter lyrischer Tenor schmeichelt sich in seinem 'Ständchen' unterm Fenster Rosinas ein und kann verständlicherweise ihr Herz erobern. Selten dürfte es zudem einen Tenor geben, der mit seiner Gesichtsmimik soviel Ausdruckskraft und Verwandlungsfähigkeit besitzt wie Macias.

Ein Glücksgriff auch die übrige Besetzung der Hauptpartien: Der spanische Baß-Buffo Carlos Chausson, der seine Karriere in Amerika begann, bevor er an allen großen Häusern Europas sang und der zu den regelmäßigen Gästen in Zürich zählt, agiert ebenso mit großer, sicher geführter stimmlichen Bandbreite von bedrohlicher Tiefe bis leichten (Baß-)Höhen und schnellster Zungenfertigkeit. Seine Darstellung als verliebter 'Gockel' und Tyrann, der dennoch liebenswerte Züge trägt, ist umwerfend, die Begeisterung der Zuschauer unwiderstehlich auf seiner Seite, wenn er zum Beispiel das Niedersetzen auf einem Stuhl als gebrechlicher 'Alter' zelebriert. Als sein Mündel Rosina steht die bulgarische Mezzosopranistin Vesselina Kasarova auf der Bühne, die ihre Weltkarriere als Ensemblemitglied im Zürcher Opernhaus als Rosina begann und ohne Frage als einer der herausragendsten Besetzungen für diese Partie angesehen werden darf. Dies gilt sowohl für ihre gesanglichen Qualitäten mit ihren brillanten Koloraturen als auch für ihre darstellerischen in der Rolle der listigen Frau, die sich keineswegs von den Maßnahmen und Drohungen ihres Vormundes einschüchtern läßt und konsequent ihr Ziel - die Heirat mit Lindoro/Almaviva - verfolgt. Ein sehr frühes Vorbild aller emanzipierten Frauen - eine 'listige Füchsin', wie Figaro sie bezeichnet. In der Rolle des Don Basilio gab es ein imposantes Wiedersehen und -hören mit Nicolai Ghiaurov, der trotz seiner nunmehr 71 Jahre mit großer Stimmgewalt, tiefer Baßschwärze und großer Bühnenpräsenz zu beeindrucken weiß. Zur Premierenfeier brachte er seine ebenso berühmte Ehefrau Mirella Freni mit. Gefallen konnten auch die Sänger der kleineren Partien allen voran die Amerikanerin Elizabeth Rea Magnuson mit ihrem klaren, hellen Sopran in der Rolle der Berta. Der Beifall gilt aber auch Valeriy Murga als Fiorello/Offizier und Kenneth Roberson als Abrogio.

der 69jährige Nello Santi, der als Orchestermusiker in Padua begann, aber bereits mit 20 Jahren sein Debüt als Dirigent gab und 1958 Kapellmeister in Zürich wurde, wovon ausgehend er seine Weltkarriere als Dirigent startete, hat auch nach fünfzig Jahren am Dirigentenpult nichts von seiner Präzision und seiner Spritzigkeit verloren, mit der er das Orchester der Oper Zürich zu Höchstleistungen anstachelt.

Regisseur Grischa Asagaroff und seinem Ausstatter Luigi Perego gelingt ein detailfreudiger, unterhaltsamer und komischer Opernabend, der nicht in Klamauk verfällt. Die Drehbühne wurde in vier Räume - drei Zimmer (Rosinas, Bartolos Praxis und das Musikzimmer) und der Außenansicht von Bartolos Haus - unterteilt. Die Rückwände aller vier Räume bestehen aus auf den Handlungsort Sevilla hinweisenden, passend zu den Räumen bemalten, spanischen Fächern. Von den einzelnen Zimmern des Hauses kann auf der Drehbühne hin- und hergegangen werden, gelegentlich läuft die Handlung in zwei Zimmern gleichzeitig ab. Bei der Detailliebe und Sorgfalt für Inszenierung, Ausstattung und Kostüme ist der Einfluß des verstorbenen Jean-Pierre Ponnelles auf Asagaroff nicht zu verkennen. Der in Deutschland aufgewachsene und ausgebildete Regisseur russischer Herkunft, der als Assistent für Ponnelle eine Zeit lang tätig war, betreut heute noch dessen Inszenierungen in der ganzen Welt. In seiner aktuellen Inszenierung gelingt Asagaroff die rasante Schnelligkeit des musikalisch-dramatischen Ablaufes bestens in Szene zu setzen. Daß es bei der Premiere für den künstlerischen Betriebsdirektor der Oper Zürich dennoch Buhrufe gab, dürfte politische Gründe haben. Einige der Zürcher Opernbesucher sind der Meinung, daß eine Neuproduktion nicht von Nöten gewesen wäre.

Birgit Popp

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