Premiere Opernhaus
Zürich, 24. April 2001
Iphigénie en Tauride
Nach Orphée et Eurydice vor einem Jahr hatte nun mit
Iphigénie en Tauride die zweite Gluck-Oper Premiere im Rahmen des Gluck-Zykluses am
Opernhaus Zürich. Mit dieser 1779 in Paris uraufgeführten Oper hat sich Christoph
Willibald Gluck radikal vom starren italienischem Opernschema mit seinen zusammenhanglosen
Gesangsnummern abgewandt und nach einer neuen Wahrhaftigkeit in der Einheit von Drama,
Text und Musik strebend ein emotional bewegendes, psychologisch fundiertes Musikdrama
geschaffen. In der Gemeinschaftsproduktion mit den Salzburger Festspielen, wo die
Inszenierung im vergangenen Jahr Premiere hatte, und mit dem Opernhaus in Nürnberg, hat
Regisseur Claus Guth und sein Ausstatter Christian Schmidt die zeitlose Familienträgodie
in den Mittelpunkt gestellt und sie von ihrem mythologischen Umfeld in ein mit rotem Samt
tapezierten, vornehmen Einheitsraum verlegt. Pantomimische Doubels mit Schwellköpfen
stellen zum einen die Vorgeschichte der Oper dar, zum anderen das Schuldbewußtsein von
Iphigénie und vor allem ihrem Bruder Orest. Da diese Interpretation mit dem Text konform
geht, kann man sie als akzeptabel und interessant bezeichnen.
Die musikalische Leitung liegt in den Händen von William Christie,
der Glucks Musik mit viel Sensibilität umsetzt. Mit klarem, weichem Sopran, der aber auch
die dramatischen Schärfen nicht vermissen läßt, verkörpert Juliette Galstian bei ihrem
Zürcher Opernhaus-Debüt die Titelpartie. Rodney Gilfry ist der von seinen
Schuldgefühlen geplagte, ob dem Muttermord innerlich zerrissene Orest mit großem
darstellerischen und stimmlichen Ausdruck, während Deon van der Walt seinem Tenor als
treuer Freund Pylade milde Formen gibt. Anton Scharinger als tyrannischer König Thoas
gleicht einem wilden Tier, das aus Angst vor der eigenen Vernichtung zur Bestie wird. (bp) |