Wiener Staatsoper, Premiere, 19. Oktober
2001
La sonnambula
Stefania Bonfadelli - eine neue Primadonna !
Die erste Premiere der neuen Saison an der Wiener Staatsoper ist Vincenzo Bellini
gewidmet, der am 3.November 2001 seinen 200. Geburtstag feiert. Während La sonnambula
(Die Schlafwandlerin), die am 6. März 1831 mit triumphalem Erfolg am Teatro Carcano in
Mailand uraufgeführt wurde, zwischen 1834 und 1935 in Wien über 200 Vorstellungen
erlebte, war sie seit 66 Jahren nicht mehr an der Wiener Staatsoper zu hören gewesen.
Dies, obwohl das Stück neben Norma und I puritani zu den bedeutendsten und
meistgespielten Werken Bellinis zählt. Der Komponist hatte seine Belcanto-Oper ohne
Zweifel für die Sopranistin Giuditta Pasta geschrieben, der umjubelten Primadonna der
Uraufführung. Eine neue Primadonna scheint auch in der Premiere am 19.Oktober 2001
- rund 170 Jahre nach der Uraufführung - mit Stefania Bonfadelli geboren zu sein.
Dabei war die junge italienische Sopranistin eigentlich nur Einspringerin für Natalie
Dessay, aber neben enormen Können und Stimme scheint Stefania Bonfadelli auch ein
gewisses Geschick und das Glück zu besitzen, zur rechten Zeit an der rechten Stelle zu
sein. So hatte sie im Januar 1997 ebenfalls als Einspringerin an der Wiener Staatsoper
debütiert. Am selben Tag, an dem sie erstmals an der Staatsoper vorsang - aus I puritani
! Die vorgesehene Sängerin für die Vorstellung am selben Abend fiel im Laufe des
Vormittages aus und Staatsoperndirektor Ioan Holender fragte die junge Italienerin kurz
entschlossen, ob sie diese Oper schon einmal auf der Bühne gesungen hätte. Sie hatte, in
einem kleineren, französischen Opernhaus und sie bekam die Rolle und meisterte ihr
Staatsopern-Debüt schon damals mit großem Erfolg.
In der Rolle der Amina, die schlafwandelnd im Bett des Grafen Rodolfo landet - das
dieser allerdings ganz Ehrenmann zuvor verlassen hatte -, steigt Stefania Bonfadelli zur
geradezu unglaublicher Form auf, mit der sie an alle großen Vorbilder heranreichen kann.
Sie singt die höchsten Koloraturen mühelos mit perfrekt geführter Stimme und sieht
zudem auch noch gut aus. Daß sie den stürmischsten Applaus erhielt, verwundert nicht. An
ihrer Seite ebenfalls hervorragend mit schöner, wohlplazierter Stimme und sehr reinen,
brillanten Höhen war Juan Diego Florez als ihr Bräutigam Elvino zu hören. Die beiden
Protagonisten bildeten stimmlich und szenisch ein Traumpaar !
Bei soviel Glanz hatten es die weiteren Sänger wie Egils Silins als Graf Rodolofo oder
Simina Ivan als Aminas Rivalin Lisa etwas schwer auf gleich hohem
Niveau mitzuhalten.
Stefano Ranzani erhielt trotz einer guten Leistung am Dirigentenpult nur verhaltenen
Applaus, Regisseur Marco Arturo Marelli erntete hingegen zahlreiche Buhs für seine recht
abstrakte Interpretation von Bellinis Werk. Am Ende erstarrten die Gefühle in einem
Übermaß an Schnee und Stefania Bonfadelli mußte nach kürzester Umkleidpause ihre
letzte Cabaletta ganz alleine in roter Robe vor dem Vorhang singen. Ein Regieeinfall, der
mit dem eigentlichen Kontext der Oper nichts mehr zu tun hatte. (sk/bp)
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