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Vorschau Madama Butterfly - Oper Frankfurt

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Oper Frankfurt, Oktober 2001

Vorschau
zur Premire Madama Butterfly inklusive Kurzporträts von Bariton Zeljko Lucic
 

Nach Tosca gilt mit Madama Butterfly, die zuletzt vor 16 Jahren an der Oper Frankfurt zu sehen war, auch die zweite Premiere dieser Saison einem Werk des italienischen Komponisten Giacomo Puccini (1858-1924). Ausschlaggebend war der Wunsch des Regisseurs Christof Nel, der sich am Hause u.a. schon für Die Meistersinger, Der Freischütz und Salome verantwortlich zeigte, seine erste Puccini-Oper zu inszenieren, deren Musik ihn fasziniert.

Landläufig wird Madama Butterfly vor allem als tragische Liebesgeschichte einer jungen Japanerin gesehen. Die Geisha Cio-Cio-San (kleiner Schmetterling=Butterfly) wird von ihrer verarmten, adeligen Mutter über den Heiratsvermittler Goro an den amerikanischen Marineleutnant Pinkerton verkauft. Sie verliebt sich in ihn und erhofft sich mit ihm eine bessere Zukunft. Nach japanischem Recht kann der Mann sich jeder Zeit von seiner Frau trennen. Drei Jahre wartet Butterfly vergeblich auf die Rückkehr Pinkertons. Als er schließlich nur kommt, um ihren gemeinsamen Sohn abzuholen, ersticht sich Butterfly mit dem Dolch ihres Vaters, der ebenfalls Selbstmord begannen hatte und der die Aufschrift trägt "Ehrenvoll sterbe, wer nicht länger mehr leben kann in Ehren.". Die, die sich von Tradition, Glauben und Familie losgesagt hat, kehrt damit in die Tradition der Familie zurück.

Für Regisseur Christof Nel ist Puccinis Werk in erster Linie eine Familientragödie, in der ein 15jähriges Mädchen statt Schutz innerhalb der Familie zu finden, zur Prostitution verkauft wird. Eine Oper, die die heile Welt der Familie in Frage stellt und die Familie stattdessen als Tatort sieht. Nel möchte daher die Oper von den Übermalungen, die sie im Laufe ihrer Aufführungs- und Rezensionsgeschichte erfahren habe, befreien, "Für mich ist die Musik spannungsgeladen, reich an Klangfarben und hochmodern. Puccini stand mit seiner Musik an der Schwelle von der Tradition zur Musik des nächsten Jahrhunderts. Er war neugierig, nicht nur im musikalischen Sinne, was das kommende Jahrhundert bringen würde. Ich fragte mich, wie kommt man an die Partitur heran, die Puccini weitmehr hochdramatisch, als schwülstig oder pathetisch komponiert hat." Und so will er die Zartheit und Geradheit der Gefühlswelt nicht durch Kitsch verbiegen. Er sieht die Liebe Butterflys zu Pinkterton vor allem psychologisch begründet, als Versuch, die grausamen Umstände zu verdrängen und in eine Traumwelt zu flüchten.

Seine Auffassung begründet Nel mit dem Fiasko, die Madama Butterfly bei ihrer Uraufführung am 17. Februar 1904 in der Mailänder Scala erlebt hat. Erst in leicht umgearbeiteter Form trat sie bei ihrer erneuten Aufführung dreieinhalb Monate später ihren Siegeszug an. "In Italien ist die Familie heilig. Die Oper in ihrer ursprünglichen Fassung, in der die Familie viel stärker kritisiert wurde, hat das Publikum überfordert," meint Nel, "erst in der abgemilderten Form wurde sie zum Welterfolg." So hat es auch Diskussionen geben, eine eigene Frankfurter Fassung mit vermehrten Elementen aus der ersten Fassung zu rekonstruieren. Schließlich hat man sich jedoch auf die heute übliche Pariser Fassung von 1907 geeinigt. Nur ein Satz, in dem Butterfly selbst feststellt, daß sie für 100 Yen an Pinkerton verkauft wurde, wurde wieder aufgenommen. Erwähnung findet dieser Umstand jedoch auch gleich zu Beginn der Oper im Gespräch zwischen Pinkerton und Konsul Sharpless, der ihn warnt, die Gefühle und das Leben Butterflys nicht aufs Spiel zu setzen. Daß Nel den Uraufführungsskandal am liebsten erneut provozieren würde, streitet er nicht ab. Wie schon in seiner Frankfurter Salome-Inszenierung wird auch am Ende der Butterfly reichlich Blut fließen. Einem Anblick, den er einem Kind ersparen wollte, und so wird der Knabe fiktiv bleiben. 

Einen Verbündeten fand Nel in dem Dirigenten Yoram David, "Puccinis Werke werden oft verkannt, als operettenhaft abgetan, weil sie von Vokalsportlern mißbraucht wurden und werden, dabei war er äußerst präzise in seinen Anweisungen, wie er ein Stück gesungen oder gespielt haben wollte.. Ich möchte die echten Sentiments, Gefühle, Empfindungen in seiner Musik zum Vorschein bringen, aber ohne falsche Sentimentalität, Pathos und Kitsch, wie sie z.B. schon bei der Auftrittsarie Butterflys durch zu langsame Tempi gerne erzeugt werden."

Auch die ungarische Sopranistin Georgina Lukács, die vor einem Jahr als Butterfly ihr MET-Debüt gab, kann sich mit der von Nel erarbeiteten Butterfly identifizieren, "Sie ist aggressiver als die Butterflys, die ich bisher in traditionellen Inszenierungen gesungen habe, fast dem Wahnsinn nahe. Sie ist dramatischer und höher geladen. Ich fühle mich in dieser Inszenierung sehr wohl."

 
Zeljko Lucici im Probekostüm als Sharpless
Während mit Greorgina Lukács und dem Tenor Bojidar Nikolov (Pinkerton) Gastsänger für die Premiere vorgesehen sind, ist die Partie des Sharpless durch Zeljko Lucic mit einem Ensemblemitglied der Oper Frankfurt besetzt. Das Haus weiß, was es an dem jungen, jugoslawischen Bariton besitzt. Als amerikanischer Konsul wird es für Lucic nach Silvio (I pagliacci), Lescaut (Manon Lescaut), Conte di Luna (Il trovatore) und Ford (Falstaff) bereits die fünfte Premiere an der Oper Frankfurt in nur drei Jahren sein. Hinzukommen neben Repertoirvorstellungen zwei konzertante Aufführungen von Verdis Oper Attila an der Alten Oper, bei denen Zeljko Lucic als Ezio an der Seite des italienischen Basses Roberto Scandiuzzi (Attila) glänzte. 1998 war Zeljko Lucic an die Oper Frankfurt gekommen, "Ich wollte gerne nach Deutschland an ein Haus mit Ensemble gehen, an dem ich auch die Chance haben würde, die großen Partien zu singen." Sein damaliger Zwei-Jahres-Vertrag wurde mittlerweile bis 2005 verlängert und weitere Partien in Neuinszenierungen wie Posa in Don Carlos oder Renato in Un ballo en maschera sind in Frankfurt auf langer Sicht geplant. Hinzukommen zahlreiche Verpflichtungen an der Semper-Oper in Dresden (u.a. Un ballo en maschera, Falstaff, Don Carlos) und  Il trovatore an der Staatsoper Hamburg.

Verdi, dafür schlägt Zeljko Lucics Herz, "Er hat für den Bariton großartige Partien geschrieben. Er ist für mich das Zentrum meines Schaffens." Puccini steht er dabei nicht so wohlwollend gegenüber, "Er hat vor allem für die Soprane komponiert, gelegentlich für den Tenor, aber nur ganz selten einmal für den Bariton." Gesungen hat Zeljko Lucic die Partie des Sharpless bereits in seiner Zeit an der Belgrader Nationaloper, wo er von 1995 bis 1998 tätig war. Und wenn er so ganz ehrlich ist, mit der damaligen Inszenierung konnte sich der 33jährige mehr anfreunden, als mit der Neuinszenierung in Frankfurt, "Ich bin für klassische Aufführungen. Wenn es nach mir ginge, würden alle Opern so aufgeführt werden, wie sie im Libretto stehen. Aber, ich bin ein professioneller Sänger und muß das umsetzen, was der Regisseur von mir verlangt." Und er fügt hinzu, "Das wichtigste ist für mich in der Oper ohnehin der Gesang, alles andere kommt erst danach." Daß er in Nels Inszenierung als Sharpless, der vom Libretto her schon fast väterliche Gefühle für Butterfly entwickelt, keine Emotionen zeigen darf, gefällt dem Vater zweier Söhne nicht, da freut er sich schon mehr auf die Wiederaufnahme von La traviata im November, wenn er als Vater Germont auf der Frankfurter Bühne stehen wird.

Puccini hat viel Arbeit in die Recherche über das Leben in Japan zur Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende und die japanische Musik gelegt, wobei er seinem musikalischem Stil auch in Madama Butterfly treugeblieben ist. Die verwendete Pentatonik ist auch in anderen seiner Werke zu finden, eingeschlossen sind jedoch auch sieben japanische Musikstücke - die aber nicht auf Orginalinstrumenten gesprielt wrden -, aber auch Auszüge aus der amerikanischen Nationalhymne kommen vor.  

Text und Photo: Birgit Popp

Der Beitrag ist in gekürzter Version in der Frankfurter Neuen Presse erschienen.

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