Royal Opera House Covent Garden
London im Oktober 2001
Jenufa
- Die Frau ohne Schatten - Rigoletto
L'anima del filosofo
Jenufa: Szene aus dem dritten Akt -- die Dorfbewohner und
Jenufa sind fassunglos
ob dem grausigen Kinderliechen-Fund
Photos (Jenufa): Catherine
Ashmore, Text: Birgit Popp
Zu den musikalischen Höhenpunkten der neueröffneten
Saison am Royal Opera House Covent Garden zählt Janaceks Jenufa
in
einer von der Hamburgischen Staatsoper übernommenen Produktion aus dem
Jahr 1998. Auch, wenn heute das Schicksal einer ledigen Mutter in den
meisten westeuropäischen Ländern und Gegenden nicht mehr so verheerend ist, wie in
der dörflichen Enge Jenufas, sind die grundlegenden Problematiken des
menschlichen Zusammenlebens, von denen dieses Werk handelt, wie Liebe,
Haß, Eifersucht, äußere und innere Werte, Verzeihung, Töten aus
Verzweiflung, Verantwortungslosigkeit, wirkliche und vermeindliche
Schwächen, soziale Zwänge auch heute noch aktuelle, tiefbewegende Fragen.
Insofern ist auch
heute noch Janaceks Werk hochmodern und ergreifend. In der am 28.
September erstmals am Covent Garden aufgeführten Produktion von Olivier
Tambosi und in der Ausstattung und dem Bühnenbild von Frank
Schlössmann gibt der scheidende musikalische Direktor des Hauses Bernard
Haitink eine facettenreiche, lyrische wie brutale Passagen der Musik
auslotende Vorstellung.
Karita Mattila als Jenufa
Wie bereits bei der Premiere in Hamburg erweist sich Karita Mattila
als stimmliche, wie darstellerische Idealbesetzung für die Titelpartie.
Anrühtend und überzeugend in ihrem Wandel von der unbeschwerten über
dem Wahnsinn fast nahen bis zur innerlichen gereiften, starken Frau. Als Jenufa träumt sie von einem
Leben mit dem reichen Mühlenbesitzer Stewa.Doch ihre Stiefmutter
verweigert die Zustimmung zur Heirat mit dem Alkohol und Frauen nicht
abgeneigten Enkel der alten Buryjovka und Neffen ihres verstorbenen Mannes, nicht
ahnend, daß
Jenufa bereits von ihm schwanger ist. In ihren Augen soll Stewa erst
einmal beweisen, daß er Jenufas überhaupt würdig ist. Zu schlecht waren
ihre eigenen Erfahrungen mit ihrem Mann.
Anja Silja as Küsterin
Großartig, von
überwältigender Intensität Anja Silja in einer ihrer berühmtesten
Rollen, die der Küsterin. Als Stevas Halbbruder Laca aus Eifersucht Jenufas Gesicht mit einem Messer verschandelt, wendet sich
Steva, bestens verkörpert durch Jerry Hadley, von
seiner Braut endgültig ab. Nach der heimlichen Geburt des Sohnes von
Jenufa und Steva überwindet die Küsterin zwar ihre Abneigung und
fleht Steva an, ihre Stieftochter zu heiraten, doch dieser hat sich
mittlerweile anderweitig verlobt. Die Küsterin bringt das Baby um
und macht Jenufa glauben, es sei gestorben, während sie im Fieberwahn
lag.
Karita Mattila als Jenufa (rechts)
Jorma Silvasti als Laca Klemen (links)
Anja Silja als Küsterin (Mitte)
Laca (Jorma Silvasti) bereut seine Tat zutiefst
und hält um die Hand Jenufas an, obwohl er weiß, daß Jenufa ein Kind
von seinem Halbbruder geboren hatte. Jenufa willigt schließlich unter
dem Druck der Stiefmutter in die Heirat ein.
Eva Randova als Großmutter Buryjovka (rechts)
Anja Silja als Küsterin (linkgs)
Am Hochzeitstag taut schließlich der See auf und gibt
die Kinderleiche frei. Das ganze Dorf, gerade noch in Festtagsstimmung,
sieht in Jenufa die Kindesmörderin und will sie steinigen. Die
Künsterin, seit ihrer Tat immer mehr dem körperlichen und seelischen
Verfall preisgegeben und von Kinderstimmen im Wahn verfolgt, gesteht
ihre Tat und beteuert Jenufas Unschuld. Die, die sie liebt wie ihre
eigene Tochter, vergibt ihr am Ende, wie auch Laca seinem Herz
gehorchend weiterhin zu Jenufa steht. Angesichts dieser aufrichtigen
Liebe Lacas erkennt auch Jenufa, das Larca nicht nur eine 'Notlösung'
ist, sondern das Drama endet mit der Hoffnung auf eine bessere
gemeinsame Zukunft.
Mit dem hohen musikalischen Wert der Aufführung kann
die szenische Gestaltung nicht Schritt halten. Eine seltsame Mischung aus
Naturalismus, karger Bühne und Symbolhaftigkeit, z.B. wenn es im zweiten Akt
statt der Stube der Küsterin nur einen riesigen Felsbrock in der Mitte
der Bühne gibt, vor oder hinter dem die Protagonisten agieren.
Die Personen wirken trotz der intensiven Gestaltung ihrer Partien oft sehr
statisch plaziert, die Großmutter mit ihrem ständigen
Gestochere und Geklopfe mit dem Blindenstock übertrieben.
Ebenfalls auf musikalisch höchstem Niveau
steht die
erstmals seit der Neueröffnung des Hauses am 9. Oktober 2001 wieder auf die Bühne
gebrachte Die Frau ohne Schatten. In ihrer Besetzung in vielen Partien
ähnlich den Vorstellungen an der Wiener Staatsoper zeichnet sich
die bereits bei ihrer Premiere 1992 hoch gepriesene Londoner Inszenierung
von John Cox und der Ausstattung von David Hockney im Gegensatz zur Wiener allerdings durch
Phantasie, die farbenprächtige, wunderbar orchestrierte Musik Richard
Strauss' durch optischen Farbenreichtum illustrierende und eine die Bühnentechnik intensiv
ausnutzende Gestaltung aus. Während die Inszenierung in Wien abschreckend wirkt und den Zugang zu Richard Strauss' Werk erschwert,
wenn nicht verhindert, macht die Londoner Aufführung Lust auf mehr.
Doch nicht nur optisch werden die Sinne verwöhnt, einen wertvollen Anwalt
seiner Musik findet der Komponist mit Christoph von Dohnány am
Dirigentenpult und einem grandiosen Klangkörper, dem Orchester des Royal
Opera Houses. Stimmlich ist ebenfalls Erstklassiges auf der magischen
Reise von der Dunkelheit ans Licht zu vernehmen. Überragend einmal mehr
Deborah Voigt in der Titelpartie und Johan Bohta als ihr Ehemann, der
Kaiser. Ausgezeichnet
besetzt sind ebenso Gabriele Schnaut und Alan Titus als das Färber-Paar
und Jane Henschel als Amme. Ein Genuß für alle Sinne.
Stürmisch gefeiert wurde auch
Verdis ergreifendes Musikdrama Rigoletto,
mit dessen Premiere in einer Neuproduktion des Hauses in der Inszenierung
von David McVicar und unter der musikalischen Leitung von Edward Downes am
19. September die Saison 2001/2002 am Covent Garden eröffnet wurde.
Photos (Rigoletto): Sasha Gusov
Die Titelpartie des
verkrüppelten Hofnarrens Rigoletto, der um die Unschuld seinrr Tochter
Gilda kämpft, wird von Paolo Gavanelli verkörpert.
Als Gilda kann sich Christine Schäfer den
amourösen Annäherungsversuchen
des auf ständig neuen
Liebesabenteuern erpichten Herzogs von Mantua (Marcelo Alvarez), den sie für einen mittellosen, aufrichtig in sie verliebten
Studenten hält, nicht erwehren.
Aber auch als Gilda von den Höflingen entführt und
in den Palast gebracht wird und die wahre Identität des Herzogs
erkennt, zweifelt sie nicht an ihrer gegenseitigen Liebe und versucht
ihren Vater von seiner Rache abzubringen.
Rigoletto versucht hingegen Gilda von der
Treulosikgkeit des Herzogs zu überzeugen und führt Gilda zu einer
einsemen Kascheme, wo sie die Lasterhaftigkeit ihres Geliebten mit
ansehen
und hören kann. Dennoch opfert sie sich für ihre Liebe:
Bestürzt muß Rigoletto am Ende erkennen, daß nicht
der Herzog sondern seine Tochter Opfer seiner Rache und von Sparafucile
erstochen wurde.
L'anima
del filosofo ossia Orfeo ed Euridice
Opera von Joseph Haydn
Cecilia Bartoli als Euridice
Roberto Saccà als Orfeo
Musikalsiche Leitung: Christopher Hogwood
Regie: Jürgen Flimm
Premiere 15. Oktober 2001
Das Repertoire des Covent Garden ist im Oktober
weitgefächert, als nächste Premiere steht Haydns L'anima del filosofo
am 15. Oktober 2001 auf dem Spielplan. Erst wird die Erstaufführung des
Werkes an diesem Hause sein. Die Inszenierung von Jürgen Flimm wurde bereits für
die Wiener Festwochen 1995 geschaffen und später auch in Zürich
aufgeführt und ist zu einer bedeutenden Interpretation dieses selten
gespielten Werkes geworden. Seine beiden
Protagonisten Cecilia Bartoli und Roberto Saccà gelten als ideales Paar
in der Geschichte um Orpheus und Euridike, um Liebe und Verlust. Für
die gefeierte Mezzosopranistin wird es ihr langerwartetes britisches
Bühnendebüt sein. Haydns Werk hatte sie allerdings bereits Anfang 2001
bei einem Konzert in der Birmingham Symphony Hall ebenfalls unter Leitung
von Christopher Hogwood für eine CD aufgenommen.
Nachfolgend einige Impressionen von den
Proben mit Cecilia Bartoli und Roberto Saccà:
Photos (L'anima del
filosofo): Bill Cooper
Text: Birgit Popp
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