Vorschau -Oper
Frankfurt - Premiere 29. Januar 2012
Götterdämmerung
Am 29. Januar wird sich mit der Premiere von
Richard Wagners 1876 uraufgeführter Oper Götterdämmerung der neue
Ring-Zyklus an der Oper Frankfurt unter der musikalischen Leitung des
Frankfurter GMDs Sebastian Weigle und in der Inszenierung von Vera
Nemirova schließen.
Johannes Martin Kränzle als Gunther
Photo: Oper Frankfurt - Monika Rittershausen
Wagners Tetralogie, die mit Rheingold begann, ist
nun über Walküre und Siegfried in der Zivilisation angekommen. Gottvater
Wotan hat resigniert, aber auch die in seinen Enkel Siegfried (Lance Ryan)
gesetzten Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Siegfried hat sich von der
Natur und von Brünhilde abgewandt, will zu den Menschen, insbesondere dem
Stamm der Gibichungen gehören und verfällt der Intrige Hagens (Gregory
Frank), der von seinem Vater Alberich (Jochen Schmeckenbecher) Hass,
Lieblosigkeit und Machtgier geerbt hat und sie noch durch Heimtücke
ergänzt. Gewisse Parallelen zur vorangegangenen Premiere am Großen Haus in
Frankfurt, Verdis 1887 uraufgeführter Otello, lassen sich nicht übersehen.
Hier wie dort entkommt das Böse: Jago und Alberich existieren als einzige
der Hauptakteure weiter. Hier wie dort schlägt Liebe in Hass und
Eifersucht um und führt zum Mord, denn erst Wotans verstoßene Tochter
Brünhildes Hinweis an Hagen, dass Siegfried am Rücken verwundbar ist,
ermöglicht den Todesstoß. In beiden Opern gibt es keine erfüllte Liebe auf
Erden, aber sowohl Otello als auch Brünhilde (Susan Bullock) erkennen
ihren Fehler, entflammen erneut in Liebe und suchen die Erfüllung ihrer
Liebe im Tod und so enden beide Werke musikalisch in der Hoffnung auf
Liebe.
Eine Zwischenstellung nimmt das einzige wirkliche
Menschenpaar, Gibichungen Herrscher Gunther und seine wie er ledige
Schwester Gutrune (Anja Fidelia Ulrich) ein, die über ihre Mutter
Halbgeschwister zu Hagen sind. Gunther wird von dem seit 1998 zum
Frankfurter Ensemble gehörenden Bariton Johannes Martin Kränzle
verkörpert, der in den vergangenen vier Jahren seinen internationalen
Durchbruch vor allem mit den Rollen Alberich (Berliner Staatsoper und
Mailänder Scala), Beckmesser in Wagners Die Meistersinger von Nürnberg (u.a.
Frankfurt, Köln, Glyndebourne) aber auch in der Titelpartie von Rihms
Dionysos bei den Salzburger Festpielen erlebt hat und 2011 von den Autoren
der Fachzeitschrift Opernwelt zum Sänger es Jahres gewählt wurde. Der
Figur des Gunthers, der nicht am Ring interessiert ist, sondern Brünhilde
als seine Frau zu gewinnen sucht und Siegfried als Mann für seine
Schwester, können viele Attribute beigemessen werden: Täter, Mittäter oder
auch Opfer, wie sieht Kränzle die Figur? „Gunther ist für mich ein
weicher, schwacher Charakter, der sich formen lässt. Er lässt sich von
Hagen völlig führen. Schon im ersten Satz ist er sich über seine Macht
nicht sicher, wenn er Hagen fragt, wie groß seine Macht denn sei. Er
erkennt nicht, dass Hagen dies alles nur einfädelt, um in Besitz des
Ringes zu kommen. Durch die Intrige Hagens zerbricht für Gunther alles. Er
baut eine große Freundschaft mit Siegfried auf. Dass er unter dem Einfluss
Hagens und Brünhildes dessen Ermordung zugestimmt hat, bereut er zugleich
wieder. Gunther setzt nie seine Empfindung und seinen Willen durch. Er
leidet und zerbricht daran. So eine Figur ist interessant zu spielen. Sie
ist manchmal dankbarer als ganz glatte Figuren. Hier kann man darstellen,
wie sich die Schwachheit zeigt in ganz unterschiedlichen Momenten wie in
Verzweiflung und Resignation oder darin, sich übertrieben an andere
anlehnen zu wollen, z.B. an Siegfried oder in anderen Momenten auch an
Hagen. Selbst von Brünhilde erhofft sich Gunther kurz Hilfe. Er ist kein
schlechter Mensch. Er möchte auch seine Schwester nicht verletzten. Er
gibt sich völlig auf in seinem Ich, weil er allen anderen gerecht werden
möchte und damit nichts schafft. Für mich ist der Gunther eine sehr
moderne Figur, die es oft auch heute gibt,“ so der Sänger.
Johannes Martin Kränzle
Photo: Oper Frankfurt - Markus Kränzle
Bisher hat Kränzle die häufig mit einem Bass
besetzte Rolle des Alberichs nur im Rheingold in Berlin und Mailand
gesungen, während die Partie im Siegfried in beiden Städten erst nach
seinem Rollendebüt in Frankfurt als Gunther kommen wird. “Die Tessitura
beider Rollen ist eigentlich gleich. Gunther ist nicht sehr hoch, Alberich
benötigt fast die höhere Stimme. Wagner hat nur zwischen hohen und tiefen
Bässen unterschieden, den Begriff Bariton hat er nicht verwandt. Währen
Hagen ein tiefer Bass ist, hat er Alberich und Gunther mit einem hohen
Bass besetzt. Für mich ist der Alberich im Rheingold die dankbarste
Partie, die musikalisch wie szenisch am meisten hergibt. In der
Götterdämmerung ist der Gunther die längere Rolle als der Alberich, der in
dieser Oper nur eine kurze, sehr fokussierte Rolle besitzt ,“ so Johannes
Martin Kränzle, der ein Allround-Musiker und Theatermann ist. Während
seiner Schulzeit ist er bereits mit der Geige international als Solist
aufgetreten, hat zwei abndfüllende Opern geschrieben, inszeniert und
dirigiert und zuerst Musiktheaterregie begonnen in Hamburg zu studieren,
bevor er nach einem Jahr zum Gesangsstudium nach Frankfurt wechselte.
In Wagners aus germanischen, nordischen und
isländischen Mythen gewobenem Gesamtkunstwerk, in dem sich der Mensch von
Naturgesetzen und dem Götter- und Schicksalsglauben löst und sein eigens
Leben in die Hand nehmen will, wenngleich der Glaube an ein übergeordnetes
Schicksal dennoch durchschimmert, fehlt das positive Lebensmodell. Bei
fünf verschiedenen Charakteren gibt es am Ende keine vorbildhafte Figur.
Das sieht auch Kränzle so, doch, „Vielleicht stimmt die Musik versöhnlich.
Am Ende spricht sie eine andere Sprache als der Text. Vielleicht zeigt
Wagner damit musikalisch diesen Hoffnungsschimmer. Aber, wenn wir sehen,
wohin das Menschenzeitalter führt, dann darf der Ausblick durchaus
pessimistisch sein, wenn der Mensch das Ruder über die Welt übernehmen
würde, was ich aber sowieso nicht glaube.“
Damit schließt sich auch der Kreis wieder zu seiner
eigenen Karriere. Manche erachten den internationalen Durchbruch von
Kränzle mit Mitte Vierzig für eine Aneinanderreihung glücklicher Zufälle.
Doch diese ‚Zufälle’ hätte es ohne harte Arbeit, Können und künstlerische
Leistung und Überzeugungskraft nicht gegeben. Kränzle, der vor seinem
Engagement in Frankfurt bereits seit 1987 erst in Dortmund, dann ab 1991
bis zum Wechsel nach Frankfurt in Hannover Ensemblemitglied war, ist
rückblickend mit dem Verlauf seiner Karriere zufrieden, „Manchmal treffen
solche ‚Zufälle’ gar nicht ein oder auch zu früh, man muss darauf
vorbereitet sein, um sie wahrnehmen zu können. Bei mir ist es rückblickend
Glück gewesen, dass diese Chancen relativ spät kamen. Früher dachte ich
oft, ich habe eine schöne Leistung abgeliefert, die aber nicht das
erhoffte Echo fand. Heute denke ich, es ist wahrscheinlich
glücklicherweise so spät gekommen, denn so kann ich alles mit einer
Grundsicherheit und Ruhe angehen, die ich vor 15 Jahren nicht gehabt
hätte.“
Mit Gelassenheit und Freude an seinem Beruf blickt
er auch auf die Rollen, die noch auf ihn zukommen, „Einen bevorzugten
Komponisten oder Rolle besitze ich nicht. Ich versuche immer, besonders zu
mögen, was ich gerade mache. Die Mozart-Partien werden immer ein Kernpunkt
meines Repertoires sein. Seit vier, fünf Jahren sind die Wagner-Partien
hinzugekommen, mit denen ich als deutscher Sänger international mehr
gefragt bin als mit Mozart. Ich freue mich auch schon auf mein Rollendebüt
als Jaroslav Prus im April in der Frankfurter Premiere von Janaceks Die
Sache Makropulos und auf Rollen wie Eugen Onegin oder Wozzek.“
Birgit Popp
Der Artikel wurde in Auszügen in der
Frankfurter Neue Presse (
www.fnp.de ) veröffentlicht.
Weitere Informationen, Termine,
Photos und Video:
www.oper-frankfurt.de
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