Vorschau Oper
Frankfurt - Bockenheimer Depot
Premiere 26. Januar 2014
Die
Gespenstersonate
.Dietrich
Volle (Direktor Hummel) und Anja Silja (Die Mumie)
Mit der 1984 in Berlin uraufgeführten Kammeroper
Die Gespenstersonate von Aribert Reimann (*1936) wird an der Oper
Frankfurt nach Troades, Lear und Medea zum vierten Mal ein Werk eines der
meist gespielten zeitgenössischen Opern- Komponisten aufgeführt. Die
Premiere am 26. Januar 2014 im Bockenheimer Depot bringt mit Anja Silja
eine der außergewöhnlichsten Sopranistinnen des 20. und 21. Jahrhunderts
nach Frankfurt zurück, wo von aus bereits Ende der 1950er Jahre ihre
weltweite Karriere startete. Die musikalische Leitung liegt in den Händen
des Frankfurter Kapellmeisters Karsten Januschke, die Regie in denen von
Walter Sutcliff.
Aribert Reimann schrieb nicht nur die Musik, sondern
richtete gemeinsam mit Uwe Schendel auch das Libretto nach dem
gleichnamigen, 1908 uraufgeführten Theaterstück von August Strindberg
ein. Einige Stellen komprimierte er, andere fügte er hinzu, wie den ersten
Auftritt der Mumie genannten Frau des Obersts, die Anja Silja verkörpert.
Das Werk handelt über Schuld und Sühne und wie die Menschen damit umgehen.
Einst hatte der hochstaplerische Oberst (Brian Galliford) die Braut des
Direktors Jakob Hummel (Dietrich Volle) verführt. Hummel hatte daraufhin
seinerseits Jahre später eine Liebesnacht verbracht mit der Ehefrau des
Oberst, aus der eine uneheliche Tochter entstammt, das kranke Fräulein
(Barbara Zechmeister), die ebenfalls im Haus des Oberst lebt und über
deren wahren Vater Stillschweigen gewahrt wird. Die Frau des Oberst hat
sich zur Sühne seit zwanzig Jahren in einen Wandschrank zurückgezogen. Als
Hummel mit dem Studenten Arkenholz (Alexander Mayr) im Hause des Oberst
eintrifft, um ihn mit seiner Tochter zu verheiraten und gleichzeitig am
Oberst Rache zu nehmen, sorgt die ‚Mumie’ dafür, dass Hummel einen von ihm
begannen Mord eingestehen muss, worauf er sich im Wandschrank erhängt.
Für Anja Silja ist es die zweite Partie in einer
Reimann-Oper, nachdem sie bereits die Regan in Lear in San Francisco
verkörperte. Die Gespenstersonate kannte sie jedoch nicht, bevor
sie das Angebot des Frankfurter Intendanten Bernd Loebe erhielt, die
Partie der Mumie zu übernehmen, „Was mich an Strindberg immer fasziniert
hat, ist de Vielschichtigkeit seiner Personen. Es geht bei ihm immer um
Sehnsüchte und Vergangenheitsbewältigung. Mich reizt herauszuarbeiten, was
Strindberg in eine Figur hineingepflanzt hat.“ Als Anja Silja das Wort
Mumie hörte, war sie im ersten Moment etwas abgeschreckt, „Was hätte eine
Mumie zu sagen oder zu singen gehabt? Aber dann stellte sich schnell
heraus, dass es die Frau des Obersts und die Schlüsselfigur des Werkes
ist. Das Mumienhafte an ihr ist, dass sie zwanzig Jahre lang im
Wandschrank ein Leben in selbstgewählter Isolation verbracht hat. Obwohl
sie sich mit Hilfe der Papageiensprache von der Welt abschottet, befindet
sie sich immer in der Realität. Als der eine, mit dem sie das Kind gezeugt
hat, nach zwanzig Jahren vermutlich zum ersten Mal wieder zurück in ihr
Haus kommt, fängt sie sofort an, normal zu reden. Mit dem papageienhaften
Ruf ‚Jakob, Jakob’ kaschiert sie ihre Suche nach diesem Mann und ihr
jahrelanges Warten auf ihn.“
Und, so die heute in Zürich lebende, gebürtige
Berlinerin weiter, „Beim ‚Gespenstersouper’ redet erst einmal jeder
aneinander vorbei, wie wir es sooft in unserem Leben tun. Jeder sagt
trotzdem aus seiner Sicht seine Wahrheit, die seinem Empfinden entspricht.
Hummel will, dass seine Vaterschaft anerkannt wird, und sucht die Rache.
Sie redet von Verständnis, davon, dass sie alle gesündigt und Fehler
begannen haben und von Reue. Seine Unfähigkeit dazu, lässt sie immer
härter werden und ihn mit seinem Mord an dem Milchmädchen konfrontieren,
was ihn seine Ausweglosigkeit erkennen lässt und ihn in die einzige
Möglichkeit, den Selbstmord, treibt.“
Ein weitere Aussage des Werkes ist, dass man auch
nahestehende Menschen nicht wirklich kennt. Ein Umstand, den auch Anja
Silja bestätigt, „Das kann aber auch positiv sein, es ist durchaus
spannend, immer wieder etwas Neues an jemanden zu entdecken. Um 1900 waren
die Geheimnisse des Lebens und der Menschen zu ergründen, ein starkes
Thema in der Literatur und in der Musik, so z.B. bei Gustav Mahler.“
Viele Rezetenten des Werks sind der Ansicht, dass
auch Arkenholz durch die Konfrontation des Fräuleins mit der Realität und
ihrem darauf folgenden Tod erste Schuld auf sich geladen hat, während er
als letzten Satz die Worte des Fräuleins wiederholend feststellt: ‚gut ist
wer schuldlos bleibt’ – doch geht das überhaupt? „Aus unserer heutigen
Sicht nicht mehr. Es gibt immer eine Schuld des Nicht-Verstehens, des
Sich-nicht-auf-den-anderen-einlassens. Insofern sind das Stück Strindbergs
und die Oper Reimanns bis heute modern und zutreffend. Das eigentlich
Kriminelle in diesem Werk kann man vernachlässigen. Ein ganz zentrales
Thema ist das gegenseitige Missverständnis und es bleibt ein zentrales
Thema, weil heute jeder für sich lebt, mehr denn je.“
Das Repertoire der heute 73jährigen Sängerin, die
Weltberühmtheit bereits in jungen Jahren durch ihre Wagner-Partien
erlangte, umfasst eine große Bandbreite unterschiedlichster Rollen. In den
letzten zwanzig Jahren sind es vor allem die Partien Janáčeks wie die
Küsterin in Jenufa oder Emilia Marty in Die Sache Makropulos,
in denen sie an den renommierten Opernhäusern Europas und der USA
reüssiert. Nach zwanzig Jahren kehrte Anja Silja vom Publikum umjubelt in
der Spielzeit 2012/13 an die Oper Frankfurt als Babuschka in Prokofjews
Der Spieler zurück, nun wird sie erstmals im Bockenheimer Depot
auftreten.
Text: Birgit Popp,
Photos © Oper Frankfurt -
Wolfgang Runkel
Der Artikel wurde in Auszügen in der
Frankfurter Neue Presse (
www.fnp.de ) veröffentlicht.
Weitere Informationen, Termine,
Photos und Video:
www.oper-frankfurt.de
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