Udo Gefe bei der Arbeit in seinem Büro
Photo: Birgit Popp
Wenn am 10. September die Oper Frankfurt mit der Wiederaufnahme von
Puccinis La bohème in die Saison 2005/06 startet, so wird es für einen,
der fast zwei Jahrzehnte die Geschicke des Hauses mitbestimmt hat, seine
letzte Saison sein: Udo Gefe wird am Ende der kommenden Spielzeit in
Pension gehen. Der immer Ruhe und Verbindlichkeit ausstrahlende, meist
bescheiden im Hintergrund bleibende Frankfurter Operndirektor hat auch
über die Jahre wechselnder Intendanten und Generalmusikdirektoren immer
Konstanz in das Haus gebracht. Zu seinen größten Verdiensten zählt sein
maßgeblicher Anteil am Aufbau des Frankfurter Sängerensembles. So hat
Udo Gefe 1998 den heute weltweit gefragten Bariton Zeljko Lucic für das
Frankfurter Opernhaus entdeckt, als dieser noch ganz am Beginn seiner
Laufbahn stand. Sängerinnen wie die Sopranistin Diana Damrau oder die
Mezoo-Sopranistin Elina Garanca, die beide von Frankfurt aus ihre
Weltkarriere gestartet haben, waren ebenso durch Udo Gefe an das
Frankfurter Opernhaus geholt worden.
Geboren 1942 im südhessischen Groß-Umstadt konnte sich der Sohn eines
gymnasialen Musiklehrers schon in jungen Jahren für die klassische Musik
und das Theater begeistern und er nahm seit seinem siebten Lebensjahr
Klavierunterricht. Von 1962 bis 1966 studierte Udo Gefe Schulmusik in
Frankfurt, allerdings nur zur Sicherheit, „Mein Wunsch war immer
gewesen, Dirigent zu werden.“ Seine Frankfurter Studienzeit nutzte er an
vielen Abenden für Opernbesuche. Von 1966 bis 1969 setzte Udo Gefe sein
Studium mit Dirigentenklassen in Hamburg fort. In den Jahren 1969 bis
1977 arbeitete er in Wuppertal, Düsseldorf und Kiel als Korrepetitor und
Kapellmeister und erstmals in Frankfurt (1975 - 1977) als musikalischer
Assistent mit Dirigierverpflichtung Bei diesem Werdegang verwundert es,
daß der Musiker an seinem Berufswunsch ‚Dirigent’ nicht festhielt, „Es
war die Selbsterkenntnis, daß mir ein paar wichtige Eigenschaften
gefehlt haben. Ich bin mehr für das Miteinander-Arbeiten, aber als
Dirigent muß man eine absolute Führungspersönlichkeit mit
unerschütterlichem Selbstvertrauen sein.“
1978 wurde er von Christoph von Dohnányi als künstlerischer
Betriebsdirektor an die Hamburgische Staatsoper engagiert. Udo Gefe
blieb dort in dieser Funktion sechs Jahre, bis er – nach einem Jahr als
freier Liedbegleiter u. a. von Bernd Weikl und Peter Schreir - 1985
diese Position unter Michael Gielen an der Oper Frankfurt übernahm. Als
Gielen Frankfurt verließ, ging Udo Gefe zu Mortier ans Theatre de la
Monnaie nach Brüssel. „Dort habe ich durch den Kontakt mit Regisseuren
wie Luc Bondi oder Peter Mussbach sehr viel dazu gelernt.“ Als 1990 in
Basel eine Ergänzung zum damaligen musikalischen Leiter gesucht wurde,
nahm Udo Gefe den Ruf in die Schweiz an und begleitete erstmals die
Position des Operndirektors, die er seit 1993 ohne Unterbrechung nun an
der Oper Frankfurt innehat.
„Wie die Funktion eines Operndirektors konkret ausgestaltet wird, ergibt
sich aus der Aufgabenverteilung zwischen Intendanten,
Generalmusikdirektor und Operndirektor, das kommt auf die einzelnen
Persönlichkeiten und deren Interessenslagen an,“ umschreibt Udo Gefe
seinen Aufgabenbereich, “Im Laufe meiner Tätigkeit habe ich verschiedene
Konstellationen und Arten erlebt, davon hängt mein Freiraum als
Operndirektor ab. Unter Bernd Loebe und Paolo Carignani organisiere ich
vor allem die Besetzungen, mache die Planungen, kümmere mich um die
Vertragsgestaltungen. Ich sorge dafür, daß die finanziellen
Gegebenheiten bei den Produktionen eingehalten werden. Die gesamten
Terminabsprachen und Terminorganisation, das geht von Bühnentechnik und
Werkstätten über Orchester, Chor bis zum Sängerensemble. Damit der
Betrieb reibungslos läuft, ist viel Organisationsarbeit notwendig.“ Am
meisten am Herzen liegt ihm jedoch die Betreuung des Sängerensembles,
„Oft ist dabei viel Überzeugungsarbeit notwendig. Natürlich kann man
nicht jedem seine Wunschpartie anbieten. Manchmal führt den Sänger aber
auch eine andere Partie oder gar ein anderes Stimmfach viel weiter, da
seine Stimme darin viel besser zum Ausdruck kommt.“
Was die Auswahl der Regisseure und Stücke betrifft, so liegt dies heute
vor allem in den Händen des Intendanten. „Bernd Loebe hat bereits viele
neue Regietalente entdeckt. Die Auswahl der Stücke und der Regieteams
ist seine Domäne. Er ist zugleich künstlerischer Leiter in Absprache mit
dem Generalmusikdirektor. Ich besitze zwar Einfluß, da er nicht alles
alleine machen kann, aber unter seiner Ägide hat sich meine Tätigkeit
etwas verlagert von künstlerischen zu mehr administrativen Dingen.
Unter Steinhoff, der geschäftsführender Intendant war, war ich für die
Besetzungen zuständig. Das Frankfurter Ensemble war in den 90igern bis
auf zehn Sänger reduziert worden. Sylvain Cambreling hatte als
künstlerischer Direktor immer nur Gäste für die großen Partien
engagiert. Er war der Meinung gewesen, daß sich bei nur 100
Vorstellungen pro Saison ein Ensemble nicht lohnen würde, da für viele
Sänger keine Vollbeschäftigung garantiert gewesen wäre. Bei 120
Vorstellungen und einem breiteren Repertoire, wie wir es heute haben,
rentiert sich ein Ensemble. Als Cambreling 1997 das Haus verlassen
hatte, haben wir das Ensemble auf 25 SängerInnen erweitert, was
maßgeblich meine Aufgabe gewesen ist. Das hat mir sehr viel Spaß
gemacht. Damit wurde auch ein sehr flexibles Arbeiten möglich und die
finanziellen Mittel konnten rationeller eingesetzt werden. Heute sind es
knapp dreißig Ensemblemitglieder.“
Neben dem bereits erwähnten Zeljko Lucic hat Udo Gefe Ensemblemitglieder
wie Magnus Baldvinsson, Soon-Won Kang (Colline am 10. September),
Johannes Martin Kränzle (Schaunard am 10. September), Peter
Marsh, Michael McCown, Nidia Palacios und Britta Stallmeister (Musetta
am 10. September) nach Frankfurt geholt. Daß Sänger wie Zeljko Lucic
immer noch dem Frankfurter Ensemble angehören, ist auch der Umsicht von
Udo Gefe zu verdanken, „Ich bemühe mich mit der Planung immer voraus zu
sein, um Gastiermöglichkeiten zu schaffen. Manchmal müssen wir auch
einen Kompromiß suchen, dann ist das Organisationstalent gefragt. Aber,
wenn wir ablehnen würden, wären wir für Sänger dieser Klasse nicht mehr
so attraktiv, daß wir sie halten könnten.“
Für besonders wichtig bei der Zusammenstellung des Programms einer
Spielzeit erachtet Udo Gefe, „Die Vielgestaltigkeit. Für mich sind
sowohl viele musikalische Stile vom Barock bis zur Modernen wichtig, wie
viele unterschiedliche Regiestile. Ich fühle mich sehr zuhause bei den
Regisseuren, die hier arbeiten, weil sie ernsthaft bemüht sind, die
Stücke zu erzählen. Das heißt nicht unbedingt in Original-Ambiente,
aber, daß der Regisseur nicht ein eigenes Stück daraus macht. Ich wüßte
gar nicht soviel anders zu machen, als es von Bernd Loebe konzipiert
wurde.“ Und so wird Udo Gefe auch keine Einwände gegen das
Protagonisten-Paar der Saisoneröffnung mit dem Tenor Joseph Calleja als
Rodolfo und dessen Ehefrau, die Sopranistin Tatiana Lisnic als Mimi
gehabt haben, die auch zu den regelmäßigen Gästen an der Wiener
Staatsoper zählen.
Birgit Popp
Erschienen in gekürzter Fassung am 23. August 2005 in
der
Frankfurter Neue Presse
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