Gran
Teatre del Liceu Barcelona im März 2004
Macbeth
Text: Birgit Popp, Photos:
Antoni Bofill
Carlos Alvarez und Maria Guleghina als Macbeth
und Lady Macbeth
Mit einer fulminanten Vorstellung hatte Verdis
Macbeth am 18. März 2004 Premiere am Barcelonaer Gran Teatre de Liceu. Mit
Carlos Alvarez in der Titelpartie, Maria Guleghina als Lady Macbeth,
Roberto Scandiuzzi als Banco und Marco Berti als Macduff konnte das Liceo
einer der bestmöglichen Besetzungen unserer Tage aufweisen. Die
Inszenierung von Phylliada Lloyd, die bereits 1999 an der Oper
Paris-Bastille Premiere hatte und 2001 am Londoner Covent Garden, wurde in
Barcelona von Alejandro Stadler auf die Bühne gebracht und stand in ihrer
Qualität der der Sänger nicht nach.
Carlos Alvarez
Für Carlos Alvarez, der im Februar 2004 in Sevilla
sein Rollendebüt als Macbeth feierte, erweist sich die Rolle des
schottischen Feldherrn, der durch Königsmord selbst zum König aufsteigt,
als ideale Partie und untermauert einmal mehr seine führende Stellung in
seiner Generation als Verdi-Bariton. Seine Stimme zeichnet sich durch ihre
exzellente Qualität in allen Lagen, seine hervorragende Phrasierung und
sein in großen Bögen geschwungenes Legato aus. Zugleich ist seine
Darstellung des vom Wahnsinn ergriffenen Mörders eindrucksvoll und
intensiv.
Maria Guleghina
Mit großem Beifall seitens des Publikums überschüttet
wurde auch Maria Guleghina als Lady Macbeth, die schon seit einigen Jahren
einer ihrer Paraderollen ist und die bereits bei der Pariser Premiere
diese Partie verkörperte. Während sie in der Premiere ihr überaus großes
Stimmorgan noch gut zu zügeln wußte und es auch in den dramatischen
Szenen in Schönheit erstrahlen ließ, neigte die Sopranistin in der
zweiten Vorstellung (21.3.) allerdings wieder dazu, ihr Volumen zu stark
aufzudrehen, wodurch in den dramatischen Szenen einige sehr schrille Töne
auftraten, die die Klangreinheit vermissen ließen. Etwas mit angezogener
Handbremse zu singen, verbessert ihr Stimme nur, anstatt ihr Abbruch zu
leisten.
Großartig als Banco Roberto Scandiuzzi, dessen Bühnenpräsenz
kaum zu übertreffen ist und der neben den schwarzen Tiefen auch die von
Verdi verlangten Höhen besitzt und sie ohne jegliche Mühe mit schönem
Fluß strömen läßt. Marco Berti präsentierte seine Arie als Macduff in
geradezu perfekter Weise. Er machte mit seinem schönen, wohlphrasierenden
Tenormaterial das Größtmögliche aus seiner Partie. Erstklassig auch der
Chor und das Orchester des Gran Teatre de Liceu unter der musikalischen
Leitung von Bruno Campanella. Sowohl dem Sängerensemble als auch Chor und
Orchester kann größte Musikalität und Rhythmusgefühl bescheinigt
werden, was bei dieser Verdi-Oper von höchster Bedeutung ist.
Gleiches gilt auch für die Inszenierung, was man
heute leider nicht immer behaupten kann. Das Bühnenbild und die Kostüme
(Anthony Ward) sind ebenso wie die gesamte Inszenierung wohldurchdacht und
zeichnen sich neben Einfallsreichtum, stimmungsvollen Bildern (z.B. die
goldenen Reiter, als Macbeth Banco bzw. dessen Nachkommen im Geist gleich
in mehrfacher Anzahl wiedersieht) und prächtigen Kostümen durch ihre
Klarheit und ihre Musikalität aus.
Alle Bewegungen gehen mit der Musik konform. Die häufigen
Szenenwechsel und daraus erfolgenden Umbauten auf offener Szene verlaufen
immer mit der Musik, ohne störende Geräusche und mit großer
Schnelligkeit. Die Choreographie von Kirsty Tapp stimmt ebenfalls
hervorragend mit Verdis Musik überein, was sich vor allem in den
Hexen-Szenen positiv bemerkbar macht. Die Bilder sind so klar, daß der
Zuschauer auch ohne Inhaltsangabe dem Geschehen sehr gut folgen könnte.
Symbole wie ein goldener Käfig oder ein Wasserhahn, an dem sich Macbeth
und seine Frau vergebens von ihrer Schuld und dem anhaftenden Blut frei
waschen wollen, passen gut ins Gesamtgeschehen ohne aufdringlich zu
wirken.
Joan Pons und Susan Neves
Verdi war von Shakespeares Werken fasziniert, von
denen in ihnen aufgezeigten Abgründen der menschlichen Seele, von
Machtstreben, dem Bösen im Menschen, der Konfrontation mit seiner Identität
und seinem Bewußtsein, Verbrechen, Schuld und der Zwangsläufigkeit, daß
ein Verbrechen immer das nächste erforderlich macht, um seinen
Machtanspruch zu erhalten. Fragen, die heute ebenso aktuell sind, wie zu
Shakespeares oder Verdis Zeiten. Gleichwohl die Frage nach der
Schicksalhaftigkeit, denn schließlich sind es die Hexen, die Macbeth (und
Banco) seine Zukunft voraussagen. Hätte er überhaupt die Möglichkeit
besessen eine andere Handlungsweise zu wählen ? War ihm sein Tun und am
Ende sein Niedergang nicht vorbestimmt und er nur ausführendes Medium des
Schicksals ? Eine Menschheitsfrage, die nie gelöst werden dürfte. Die
Oper Macbeth, die 1847 in Florenz uraufgeführt wurde, heute aber fast
immer in der zweiten Version von 1865 gespielt wird, war die erste
Auseinandersetzung Verdis mit dem Werk Shakespeares, der solche großartigen
Werke wie Otello oder Falstaff noch folgen sollten.
Susan Neves
Da am Liceo kein Repertoirebetrieb herrscht, sondern
eine Oper über zwei bis drei Wochen fast jeden Abend gegeben wird,
alterierte die zweite mit der ersten Besetzung. Dem Liceo war es gelungen
auch für die zweite Besetzung mit Joan Pons in der Titelpartie, Stefano
Plalatchi und Vincente Ombuena eine hervorragendes Solistenensembleder
ersten Besetzungs vollends ebenbürtig war allerdings eine
Einspringerin: Susan Neves vertrat die erkrankte Carolyn Sepron und konnte
ohne Mühen Maria Guleghina das Wasser reichen, wenn nicht gar mit ihrem
überaus klangvollen, höhensicheren, auch in den dramatischen Passagen
mit angenehmen Timbre versehenen Sopran noch übertreffen. Das Barcelonaer
Publikum wußte es zu schätzen.
Birgit Popp
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