Der Novemberanfang (4., 8., 12.11.) stand noch ganz unter dem Eindruck der
Neuproduktion von Halevys La Juive,
die am 23. Oktober Premiere hatte. Ein glänzend disponierter Neil Shicoff und die ihm
ebenbürtige Soile Isokoski in der Titelpartie waren die gefeierten Stars der unter die
Haut gehenden Inszenierung.Für alle, die 'Die Jüdin' in der ersten Staffel verpaßt
haben, bietet sich eine neue Chance am 26. und 30. Juni 2000.
In der Inszenierung von Hans Neuenfels umstritten, in der musikalischen Schönheit viel
umjubelt ist Meyerbeers Le Prophète.
Mit Marcello Viotti am Dirigentenpult gelang es den Wiener Philharmonikern am 9. November
1999 die ganze farbenprächtige Klangwelt zum Ausdruck zu bringen. Von der sängerischen
Seite wurden an diesem Abend jedoch keine Höchstleistungen vollbracht. Agnes Baltsa, in
ihrer Darstellung die ideale Verkörperung der Propheten-Mutter Fides, die gemeinsam mit
Plácido Domingo in der Premiere im Mai '98 der wiederentdeckten Grand Opera Glanz
verlieh, wirkte etwas angegriffen. Auch Janez Lotric in der Rolle des Propheten Jan van
der Leyden kam stimmlich nicht an seine im Herbst '98 in dieser Partie gebotene Leistung
heran. Gefallen konnte dagegen Simina Ivan als Berthe. Zumindest für diese Saison werden
es die letzten Vorstellungen des Propheten gewesen sein. Die schwierigen Partien geeignet
zu besetzen fällt nicht einfach.
Die Macbeths Photo: Axel Zeininger
Um rücksichtsloses, den Mord als Mittel zum Zweck rechtfertigendes Machtstreben und
aus diesem erwachsende Tyrannei ging es ab Mitte November auch in Macbeth. Das 1847 in Florenz uraufgeführte Werk ist die
erste Oper Verdis nach einem Drama von Shakespeare und sein düsterstes zugleich. Unter
der Stabführung von Marcello Viotti verstanden es die Wiener Philharmoniker erneut auf
Höchstleistung aufzulaufen und sorgten für einen gelungenen Abend, bei dem jedoch die
sängerischen Leistungen erneut nicht den musikalischen adäquat waren. Am 24. November
1999 brachte Mara Zampieri zwar in der Rolle der Lady Macbeth eine solide Leistung, aber
ihre Töne ließen z.T. die gewünschte Reinheit und Leichtigkeit vermissen. Zumindest
vermittelte sie jedoch schauspielerisch die Partie, was man vom Darsteller ihres Gemahls
nicht behaupten konnte. Carlo Guelfi als schurkischer Macbeth konnte sich erst langsam im
Verlauf des Abends zu besserer Form entwickeln, die stimmliche Präsenz ließ zumindest am
Anfang zu wünschen übrig ebenso die spielerische Intensität. Ein Glanzlicht setzte
Franz Hawlata in der Rolle des Banquo mit seiner Großen Szene mit 'Come da ciel precipita
..'. Musikalisch besitzt die Szene viel Ähnlichkeit mit der Schlüsselszene am Grab von
Karl des Großen in der drei Jahre zuvor uraufgeführten Verdi-Oper Ernani, hier wie dort
wird die düstere Stimmung von seufzenden Violoncello begleitet und trägt in ihrer
Düsterkeit dennoch einen Hoffnungsschimmer. Bei Ernani ist es die Siegesgewißheit, daß
Karl V. am Ende zum Kaiser gekrönt werden wird, bei Banquo trotz der eigenen Todesahnung
die prophezeite Aussicht, daß sein Sohn überleben und künftige Könige zeugen wird. Die
Inszenierung von Peter Wood aus dem Jahre 1982 erlebte bei ihrer Premiere Renato Bruson
und Mara Zampieri als maßstabsetzende Protagonisten. In den folgenden 33 Aufführungen
sangen Bruson 24 und Zampieri 32 mal. Im März 1999 wurde Macbeth in dieser Inszenierung
wiederaufgenommen, die Vorstellung am 24. November 1999 war die 42. seit 1982. Die
Produktion ist sehr düster, dem oft nächtlichen Treiben entsprechend dunkel gehalten,
was allerdings den Prunk der Kostüme und des Bühnenbildes nur selten aufblitzen läßt
und die Augen des Zuschauers unnötig ermüdet. Zumindest am 24. November war die
Ausleuchtung mehr als mager.
Erneut seine Stärke entfalten konnte das Orchester der Wiener Staatsoper unter der
Leitung von Marcello Viotti in der Aida-Vorstellung
am 28. November 1999, die die ganze musikalische Größe der Verdi-Komposition auslotete.
Gesanglich leuchtete die armenische Sopranistin Hasmik Papian mit ihrem strahlenden Sopran
als Aida heraus. Mit ihr erlebte der Opernbesucher die ganze Zerrissenheit in Seele und
Herzen der äthiopischen Königstochter zwischen dem ägyptischen Feldherrn Radames und
ihrer Vater(lands)liebe. Die junge Sängerin beherrscht ausgezeichnet die Kunst der
Phrasierung, wie in ihrer Nil-Arie deutlich wurde. Zum Repertoire der Künstlerin, die
1995 an der Wiener Staatsoper als Mimi debütierte, zählen u.a. Tosca, Salome, Violetta,
Abigaille, Donna Anna und Micaela. Als ihr Vater Amonasro wie immer überzeugend Simon
Estes, der mit seiner noblen Erscheinung und Gesangstechnik prädestiniert für diese
Rolle erscheint, allerdings dieses Mal seinen Bariton etwas zurücknahm.
Simon Estes als Amonasro Photo A. Zeininger
Eine solide Leistung als Radames bot Vladimir Galouzine, dessen Stimme im Verlauf der
Vorstellung an Geschmeidigkeit zunahm, der aber insgesamt etwas mehr Raffinement und Glanz
zu wünschen gewesen wäre. Der sibirische Tenor hat am Petersburger Mariinskij-Theater
seit Beginn der neunziger Jahre Partien wie Cavaradossi, Don Carlo, Radames, Otello und
die wichtigsten Tenorpartien des russischen Repertoires gesungen, bevor er seine
Weltkarriere an der Wiener Staatsoper, der New Yorker Met und der Mailänder Scala
startete. Eine Bereicherung im Fach der Mezzosopranistinnen ist Barbara Dever, die in der
Rolle der Amneris 1994 an der Met debütierte und seitdem dort regelmäßig in Rollen wie
Ulrica, Eboli, Azucena oder Herodias zu hören ist. Ihren Einstand an der Wiener
Staatsopern hatte die amerikanische Sängerin im September 1999 als Eboli in Don Carlo
gegeben. Die Inszenierung von Nicolas Noel ist noch immer reizvoll anzusehen.
Birgit Popp