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September 1999 -Wiener Staatsoper Seite 1
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Wiener Staatsoper im September 1999
Text: Birgit Popp, Photos: Axel Zeininger
Am 1. September 1999 eröffnete die Saison 1999/2000 mit Verdis
'Ernani', der von der Staatsoper auch auf dem Ratshausplatz übertragen wurde. In der
Saison 1999/2000 stehen 56 Opern und eine Operette, 'Die Lustige Witwe', auf dem Programm,
darunter fünf Neuinszenierungen. Die erste Neuproduktion ist zugleich eine
Erstaufführung für Österreich. Am 19. September 1999 wird Wilfried Hillers Kinderoper
'Das Traumfresserchen' (Text: Michael Ende) in der Wiener Staatsoper Premiere haben.
Reprisen wird es den ganzen Oktober hindurch geben, die Aufführungen finden entweder um
11 oder 15 Uhr statt. Mit Halévys 'La Juive' folgt die zweite Premiere der Saison am 23.
Oktober 1999 unter dem Dirigat von Simone Young in der Inszenierung von Günter Krämer.
Die letzte Opernpremiere für dieses Jahrtausend an der Wiener Staatsoper wird Richard
Strauss' 'Die Frau ohne Schatten' sein, deren Premiere unter dem Dirigat von Giuseppe
Sinopoli in der Inszenierung von Robert Carsen für den 11. Dezember 1999 auf dem Programm
steht. Das Jahr 2000 wird premierenmäßig erst am 2. Februar mit Alban Bergs 'Lulu'
eingeläutet. Die musikalische Leitung obliegt Michael Boder, die Regie Willy Decker. Die
letzte Premiere der Saison wird Mozarts 'Die Zauberflöte' unter dem Dirigat von Roger
Norrington und der Regie von Marco Arturo Marelli am 1. Juni 2000 vorbehalten sein. Die
Saison 1999/2000 bringt in der Staatsoper auch eine leichte Erhöhung der Eintrittspreise
und eine recht zugige, erkältungsfördernde Verstärkung der Klimaanlage. Die ersten
Septembertage bestätigten erneut, daß es wohl kaum ein anderes Opernhaus gibt, das
soviel stimmlich Hochklassiges auf die Bühne bringt wie die Wiener Staatsoper.
Carlos Alveraz als Don Carlos
Von der männlichen Seite brachte die Ernani-Wiederaufnahme
die Premieren-Besetzung
aus dem Dezember 1998 zurück: Neil Shicoff sang die Titelpartie, als seine Gegenspieler
waren Carlos Alvarez in der Rolle des Don Carlos (Karl V.) und Roberto Scandiuzzi als
Silva zu hören. Die weibliche Hauptpartie der Elvira sang wie bereits in der zweiten
Staffel im Juni Maria Guleghina. Leider galt auch dieses Mal bei der Sopranistin, etwas
weniger Lautstärke und stärkere Nuancierung würde den Hörgenuß deutlich erhöhen. Bei
den Vorstellungen am 5. und 9. September präsentierte sich Neil Shicoff, der diese Partie
für diese Saison zum letzten Mal in Wien gesungen hat, aber im Haus am Ring in 'La Juive'
als Eléazar am 23. Oktober 1999 Premiere haben wird und im September in 'Eugen Onegin'
auf der Staatsopernbühne steht, ebenso wie Roberto Scandiuzzi in Bestform. Der
amerikanische Sänger bewegte seinen Tenor mit Leichtigkeit durch die Partitur und zeigte
ihn tragfähig und leuchtend auch in den Ensemble-Szenen. Scandiuzzis sonore, mit viel
Rhythmusgefühl ausgestattete Baßstimme war förmlich die Lust am musikalischen Gestalten
anzuhören. Carlos Alvarez, im Juni verhindert durch seine Probearbeiten zu 'Don
Giovanni'-Premiere, kehrte mit jugendlichem Elan in das Trio der um die Gunst Elviras
buhlenden Protagonisten zurück. Flexibel und wohltemperiert seine Baritonstimme,
wenngleich er sie in Folge einer Erkältung noch manchmal etwas zurücknehmen mußte.
Seine nächste Auftritte an der Staatsoper werden Ende September 1999 ebenfalls in einer
seiner brilliantesten Rollen als Posa in Verdis 'Don Carlo' sein. Anders als in den beiden
ersten Staffeln lag die musikalische Leitung der Aufführungen in den Händen von
Frédéric Cahslin, dem es bei den Vorstellungen am 5. und 9. September gelang, die
Feinheiten der Partitur auszuloten und musikalisch mitzureißen.
Thomas Hampson in der Titelpartie des Guillaume Tell
Eine weitere Produktion aus der ersten Saisonhälfte der Saison 1998/1999 hatte ihre
Wiederaufnahme mit Rossinis Guillaume
Tell. Wie bei der Premiere im Oktober '98 sang auch bei den
Vorstellungen im September 1999 der amerikanische Bariton Thomas Hampson die Titelpartie.
Glanzvoll und überzeugend gab er den schweizerischen Volkshelden. In den Vorstellungen am
2. und 6. September 1999 dominierte er mühelos das Geschehen durch seine Erscheinung
ebenso wie durch seine stimmliche Präsenz. Ihm zur Seite standen in Rossinis 1829 in
Paris uraufgeführten Grand Opéra, dem letzten Werk des Komponisten, erneut Nancy
Gustafson in der Rolle der Mathilde und Egils Silins als sein Gegenspieler Gesler. Sein
Rollendebüt als Arnold gab Staatsopern-Ensemblemitglied Keith Ikaia-Purdy, dem es
vielleicht in den Höhen nicht ganz gelang an die Premierenbesetzung mit Giuseppe
Sabbatini heranzukommen, der seine Partie aber mit Bravour absolvierte. Als Tells Sohn
Jemmy gab Ileana Tonca ihr Staatsopern-Debüt. Ab dieser Saison zählt die rumänische
Sopranistin zum Ensemble der Wiener Staatsoper. Die Finalistin des Plácido Domingo
Gesangswettbewerbs 1998 in Hamburg und Preisträgerin mehrerer internationaler
Gesangswettbewerbe hat in Bukarest studiert und am dortigen Opernhaus gesungen. Tourneen
führten sie bereits nach Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich. In der
laufenden Saison wird sie an der Wiener Staatsoper u.a. die Stimme vom Himmel in 'Don
Carlos' und den Friedensboten in 'Rienzi' singen.
Großen Anteil am Gelingen der Vorstellungen, die unter der musikalischen Leitung von
Fabio Luisi standen, hatte der Staatsopernchor und das von Renato Zanella hervorragend
einstudierte Ballett. Letzteres wurde zwar gelegentlich als Buh-Anlaß genommen, die Buhs
dürften jedoch eher der Inszenierung von David Pountney gegolten haben, denn den
Leistungen der Balletteleven. Die Inszenierung des britischen Regisseurs und seines als
Ausstatter und Bühnenbildners fungierenden Landsmanns Richard Hudson, dem selbige
Funktion auch bei 'Ernani' oblag - hier in Zusammenarbeit mit Graham Vick - mag zwar nicht
jeden begeistern, darf aber durchaus als interessant gelten.
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Wiener Staatsoper im Juni 1999
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