Gerade erst hatte Verdis Oper Don Carlo nach Schillers gleichnamigen Drama bei den
Festwochen auf dem Spielplan gestanden, war sie auch im Februar wieder zu erleben, dieses
Mal allerdings in einer weitgehend geänderten Besetzung. Anthony Michaels-Moore, der das
Wiener Publikum bereits als Monforte in Verdis I vespri siciliani begeisterte, gab sein
Rollendebüt als Marquis de Posa mit seinem fürs italienische Fach äußerst geeigneten
Bariton in einer Weise, daß er auch den Vergleich mit großen Vorbildern bestehen konnte.
Doch trotz seiner ausdrucksstarken, wohltönenden Stimme begeisterte Michaels-Moore das
Publikum an diesem Abend nicht restlos, obwohl z.B. die Sterbeszene kaum schöner zu
singen gewesen wäre. Vielleicht lag es daran, daß er doch eher wie ein an den spanischen
Hof versetzter englischer Edelmann wirkte, denn wirklich als Spanier überzeugte.
Ein Positiva dieses Abends war ohne Zweifel auch Violeta Urmana als großartige
Prinzessin Eboli, die in ihren Mezzo viel Ausdruck und Differenzierung legte. Eliane
Coelho, eine der zuverlässigsten Kräfte des Hauses, bot eine Elisabeth mit großer
Sicherheit sowohl gesanglich als auch in ihrer ausdrucksstarken Gestaltung. Sie bestach
durch schöne Phrasen vor allem in den betörenden Piani, so im Duett mit Don Carlo. Ein
kleines Manko ist, daß ihre Stimme in den sehr dramatischen Passagen und in den extremen
Höhen an Qualität verliert. Ruggero Raimondi hatte als Philipp II. nicht mehr an die
eindrucksvolle Macht seiner Stimme früherer Glanzzeiten anknüpfen können. Die
baritonale Anlage seiner Stimme, die es ihm erlaubt Jago oder Scarpia mit Erfolg zu
singen, ließ jedoch Defizite bei der Baßlage erkennen. Auch Kurt Rydl konnte als
Großinquisitor in seiner Erscheinung und in seiner wenig vorhandenen sängerischen
Differenzierung nicht an die durch Eric Halfvarson erst in den Verdi-Wochen erneuerten
Maßstäbe für diese Rolle heranreichen.
Gleichgeblieben war die Besetzung der Titelpartie mit dem Wiener Staatsopern- Mitglied
Keith Ikaia-Purdy, der in den Verdi-Wochen in dieser Partie bereits eingesprungen war.
Darstellerisch war der Hawaiianer wieder überzeugend und auch gesanglich bewältigte er
die schwierige Tenorpartie erstaunlich gut einschließlich der geforderten Höhen. Das
Duett mit Elisabeth gelang ihm in berückender Weise, auch das Duett mit Posa konnte
gefallen. Sein Rollendebüt als Mönch gab Dan Paul Dumitrescu, der aber trotz achtbarer
Leistung Goran Simic, der den Mönch in fast allen Don-Carlo- Aufführungen der letzten
Jahre an der Wiener Staatsoper verkörperte, nicht aus den Ohren und dem Gedächtnis
verdrängen. Ebenfalls ihr Rollendebüt feierte Ingrid Kaiserfeld als Stimme vom Himmel,
die sie gefühlvoll und sehr schön mit großer Klarheit und Reinheit in den höchsten
Lagen sang. Donald Runnicles, der für den erkrankten Marcello Viotti eingesprungen war,
führte die Wiener Philharmoniker mit großer Souveränität.
Birgit Popp