Miriam Gauci als Margarete
Photo: Axel Zeininger
Arrigo Boito (1842 - 1918) ist vor allem als Librettist von Verdis späten
Meisterwerken Otello (1887) und Falstaff (1893) berühmt geworden. Bereits 1868 wurde
seine erste eigene Oper 'Mefistofele', verfaßt nach Episoden aus dem Faust I und II des
von ihm verehrten Goethes, an der Mailänder Scala mit niederschmetterndem Resultat
uraufgeführt. Erst sieben Jahre später trat die Oper in überarbeiteter Form ihren
Erfolgszug durch die Opernhäuser Europas und Amerikas an. Nerone, die zweite Oper des
Journalisten, Kritikers, Dichters, Literaten und im Dirigieren und Komponieren
ausgebildeten Künstlers, blieb unvollendet. Mefistofele, bei dem Text und Musik aus der
Feder Boitos stammen, würde eine häufigere Aufführung verdienen. Beständig auf den
Opernbühnen ist das Werk nur in Italien geblieben. Von der Mailänder Scala stammt auch
die Produktion von Pier' Alli (Regie und Ausstattung) in der Wiener Staatsoper, die
geschickt moderne Bühnentechnik und Projektionen mit einem ansich eher traditionellen
Bühnenbild und ebensolchen Kostümen und Ausstattung verbindet.
Schon der Prolog im Himmel entführt den Zuhörer mit einem oratoriumhaften Chor, der
mit rund 120 Mitgliedern besetzt ist, in himmlische musikalische Spähren. Doch auch im
Himmel taucht der ironisch pfeifende Mefistofele auf und geht einen Pakt mit den Engeln
ein, in dem sie um die Seele Fausts wetten. Die Oper Boitos besteht aus einem Prolog, vier
Akten und einem Epilog. Der Osterspaziergang der Frankfurter Bürger, das Laboratorium von
Faust, die Margarete-Szenen im Garten und im Gefängnis, die Walpurgisnacht am Brocken,
die klassische Walpurgnisnacht im antiken Attika und Fausts Tod sind die Eckpfeiler des
Werkes, die aus dem Faust-Drama Goethes erhalten gebblieben sind und Boito den Ruf
einbrachten, die Vorlage besser umgesetzt zu haben als Berlioz oder Gounod. Boito glänzt
mit einer farbenreichen, differenzierten Instrumentierung und vielen musikalischen
Einfällen und versteht es immer wieder, auch Goethes zweifelhaften Humor durchblicken zu
lassen.
Während Samuel Ramey bei der Premiere der Produktion an der Wiener Staatsoper vor
fünf Jahren mit großer stimmlicher Präsenz glänzte und mit seinem schwarzen,
teuflischen Baß in den Bann zog, hatte es Egils Silins ungleich schwerer, sein Publikum
zu fesseln. Darstellerisch agierte er zwar überzeugend, doch vor allem bei der ersten
Aufführung am 8. Februar fehlte es ihm an stimmlicher Durchschlagkraft und er wurde oft
vom Orchester überdeckt. Dies, obwohl die Wiener Philharmoniker sich unter der Leitung
von Frédéric Chaslin äußerst gezähmt und differenziert gaben. Bei der zweiten
Vorstellung am 11. Februar konnte Egils Silins, dessen überragende Erscheinung in der
Griechischen Passion 1999 in Bregenz noch immer in guter Erinnerung ist, sein
Stimmpotential besser zur Entfaltung bringen. Herausrragend war Maria Gauci, die die
Margherita/Elena zurecht zu ihren Glanzpartien zählt, und ebenbürtig an ihrer Seite
Walter Fraccaro, der als Faust großen lyrischen Wohlklang entfaltete. Nelly Boschkova
(Marta/Pantalis) und Benedikt Kobel (Wagner/Nerèo) ergänzten wohlgefällig das
Sängerquintett, wenngleich den größten Eindruck der von Ernst Dunshirn präzise
einstudierte und schön klingende Chor hinterlassen haben mag.
Birgit Popp