in einer Ausstattung des Prinzregententheaters, Miinchen
österreichische Erstaufführung in memoriam August Everding
Eine musikalische Abenteuerreise in 3 Akten, einem Vcr- und einem
Nachspiel nach James Matthew Barrie in der deutschen Übersetzung von Erich Kästner Musik
von Wilfried Hiller
Musikalische Leitung: Werner Seitzer; Inszenierung: Stephan Pauly (nach August
Everding); Bühnenbild: Martin Kinzlmaier; Kostüme: Ines Nagel
Mary Darling / Tigerlilly: Ildiko Raimondi
George Darling / Kapitän Haken: Hans Peter Kammerer
Wendy: Moira Angela Darling Ileana Tonca
John Darling: Thomas Prokop
Michael Darling: Clemens Krapfenbauer
Peter Pan: Angelika Kirchschlager
Wiener Sängerknaben, Bühnenorchester der Wiener Staatsoper
Musikalische Studienleitung Wolfgang Rot
Reprisen 26., 29.Oktober, 2., 6. und 9. November 2000 (in der
Premierenbesetzung nur noch am 26. Oktober 2000)
Mit der Premiere, die zugleich die österreichische Erstaufführung von Wilfried
Hillers Peter Pan war, setzte Staatsoperndirektor Ioan Holender den zweiten Teil seines
Kinderoper-Konzeptes in die Tat um. Teil eins des Konzeptes, der vor allem Kinder zwischen
vier und acht Jahren ansprechen soll, ist die kindgerechte Spielstätte im Zelt auf dem
Dach der Wiener Staatsoper. Es feierte mit seiner Eröffnungsproduktion 'Das
Traumfresserchen' sensationelle Erfolge und ist nun bereits in seine (ursprünglich nicht
geplante) zweite Spielsaison gegangen, bei der noch immer alle Vorstellungen ausverkauft
sind. Im zweiten Schritt wollte sich Ioan Holender vor allem der Altersgruppe zwischen
acht und zwölf zuwenden und ging das Wagnis ein, ins Große Haus mit seinen 2000
Sitzplätzen zu ziehen - das Prinzregententheater in München, für das die Inszenierung
von August Everding ursprünglich geschaffen wurde, hatte nur gut der Hälfte der Besucher
Platz geboten. Holender wurde mit einem vollen Haus zur Premiere am 22. Oktober um 14 Uhr
belohnt und auch die zweite Vorstellung am selben Tag um 18 Uhr war fast ausverkauft. Da
am Morgen auch 'Das Traumfresserchen' im Zelt auf dem Dach gespielt wurde, gab es gleich
eine Premiere der ganz besonderen Art: zum ersten Mal in ihrer Geschichte wurden drei
Kinderopern an einem Tag an der Wiener Staatsoper gegeben !
Die Altersgruppeneinteilung löste sich allerdings sozusagen im Feenstaub auf - ganz
gemäß dem Lied am Ende der Vorstellung, daß Peter Pan eine Geschichte für jedes Alter
sei. Knapp ein Drittel der Premierenbesucher dürften Erwachsene gewesen sein, von denen
sich viele in ihre eigene Kindheit zurückversetzt sahen. Zwei Drittel waren Kinder, dcoh
von ihnen dürfte rund die Hälfte noch keine acht Jahre gezählt haben. Selbst
Dreijährige verfolgten die Geschichte, die sie nur zu gut kannten, mit großen Ernst und
Interesse und waren ganz in ihrem Bann gezogen. Peter Pan bestand seine Feuerprobe auch in
einem solch großen Haus. Hillers Musik begeisterte, ebenso die Sänger und die
Bühnentechnik. Wenn man ein kleines Manko suchen will, so muß man sagen, es waren
vielleicht manchmal zu viele Dialoge statt Rezitative eingebaut. Aber Wilfried Hiller
wußte, daß er keine Oper im engeren Sinne geschrieben hatte und nannte deshalb sein Werk
auch sehr treffend 'musikalische Abenteuerreise'.
Er wollte auch zeigen, daß Kapitän Haken eigentlich im Herzen ein guter Mensch sei,
und schuf ihm eine 'Große Arie', in der er sentimental von seinen Jugenderinnerungen
singt. Ein Moment, in dem es ganz leise im Zuschauerraum wurde. Die Kinder (große wie
kleine) hörten gefesselt zu. Zuhören lernen - wenn die Oper für Kinder einen
pädagogischen Anspruch erhebt, dann sicherlich diesen. Wie wichtig der (vom Komponisten
besonders gewünschte) gemeinsame Besuch von Erwachsenen und Kindern ist, damit die Kinder
nicht wie vor dem Fernseher allein sitzen und mit ihren Fragen ebenso alleine gelassen
werden, zeigten die vielen Zwischenfragen vor allem der Jüngeren. Wenngleich das im
Programmheft abgedruckte Zitat von Antoine de Saint-Exupéry seine Berechtigung besitzt:
'Die großen Leute verstehen nie etwas von selbst, und für die Kinder ist es zu
anstrengend, ihnen immer und immer wieder erklären zu müssen.' Manches sollte man eben
einfach auf sich wirken lassen - wie die z.T. sehr lyrisch-einschmeichelnde, z.T. schon
fast ans Musical erinnernde Musik, wie das farbenprächtige, einfache und doch raffinierte
Bühnenbild, das zum Teil auf zwei Ebenen spielte und den Orchestergraben in sein Spiel
einbezog. Ein Lob gilt allen Sängern und Musikern, die sich hervorragend engagierten.
Ganz besonders liebreizend in ihrer Rolle als Wendy war Iloana Tonca. Mit einigem
akrobatischen Geschick ausgestattet beim Fliegen (und dabei erklang ihr schöner Mezzo
immer noch gut verständlich und klar) und Fechten war Angelika Kirchschlager als Peter
Pan, die ihren Ehemann im wirklichen Leben - Hans Peter Kammerer - als Widersacher
Kapitän Haken hilft in den Rachen des Krokodils und damit ins Jenseits zu befördern. Am
Ende nicht mit dem Degen, sondern mit ihrem Spiel auf der Panflöte - mit der Macht der
Musik !
Birgit Popp