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Maskenball - Un ballo in maschera - Inszenierung

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Bregenz, Seebühne, Premiere 21. Juli 1999 - Teil 1

Un ballo in maschera - Ein Maskenball

Die Inszenierung

Text von Birgit Popp

Bei dem britischen Regieteam Richard Jones und Antony McDonald wird Verdis gesamte Oper 'Un ballo in maschera/Ein Maskenball' zum Tanz in den Tod in phantastisch -surrealistischer Bühnen- und Lichtästhetik getragen von dem Spannungsbogen der Musik, den Marcello Viotti am Pult der Wiener Symphoniker nie abreißen läßt.

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Photo: Miro Kuzmanovic

Daß Richard Jones und Antony McDonald immer auch dem Tanz verbunden waren, ist bei der Neuproduktion auf der Bregenzer Seebühne nicht zu übersehen. Zugleich gibt das britische Duo, das in Personalunion als Regisseur, Bühnenbildner und Ausstatter gemeinsam Verdis Maskenball für die Bregenzer Seebühne erarbeitet hat, mit ihrer faszinierenden Inszenierung ein gelungenes Beispiel für die seit Mitte der achtziger Jahre sich immer fortentwickelnde Bregenzer Dramaturgie. Dieser Begriff steht für die Umsetzung eines Opernwerkes auf einer überdimensional großen Bühne - ohne Vorhang, aber mit immer neuen, technischen Überraschungen und Verwandlungen, die auch dem Opernlaien das Geschehen auf der Bühne verständlich machen und unvergeßliche Erlebnisse bereiten.

Jones' und McDonalds Bühnenbild und Ausstattung beeindrucken einerseits durch Schlichtheit und klare Konzeption und zugleich durch ausgeprägte Raffinesse in Technik und Lichtgestaltung (Wolfgang Göbbel), gleiches gilt für die phantasievollen, z.T. zeitlos-surrealistischen Kostüme (Kostümassistenz: Emma Ryott). Es gelingt dem Regie-Duo trotz der Größe der Bühne immer wieder Intimität in einzelnen Szenen zu erzielen und die Psychologie der Charaktere herauszuarbeiten. Schon die statische Bühne in Buchform mit dem 23m hohen, 15 Tonnen schweren, als im Buch blätternden Tod kaschierten Stahlgerüst ist eine Attraktion für sich, die auch tagsüber zahlreiche Schaulustige anzieht und für die Festspiele wirbt. Ungleich stärker wird die Wirkung noch bei Abenddämmerung, wenn die Sonne rotglühend auf der Schweizer Seite des Bodensees versinkt und das Lichtdesign eine romantisch-unheimliche Atmosphäre entwirft.

Die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Marcello Viotti breiten mit Verdis von Leichtigkeit und Lebensfreude aber auch Tragik getragener Musik einen filigranen, farbenreichen, wohlakzentuierten, manchmal Kammermusik-artigen Klangteppich aus, auf dem die Inszenierung dahin schwebt. Dabei wird deutlich, wie Verdi in dem bereits 1859 uraufgeführten Werk seine Charaktere und Situationen mit Leitmotiven versieht - lange bevor dieses Thema bei Wagner zum Thema wurde.

Das tänzerische Element der Inszenierung wird schon während der Ouvertüre ersichtlich, wenn Oscar zu deren Klängen träumerisch auf dem Tanz-Manual der Buchseiten tanzt. Eine choreographische Glanzleistung (Choreographie: Philippe Giraudeau) vollbringen die rund fünfzig Tänzer, wenn sie sich in nur fünf Sekunden beim Marsch durch die überdimensionale, sich aus dem Bühnenboden erhebende und in ihm wieder verschwindende Königskrone ihrer Mäntel, Schlipse und Hosen entledigen und von Royalisten und Verschwörern der ersten Szene zu Matrosen werden, die den Aufbruch zu Ulrica in einer Tanzszene einläuten.

Ulricas Behausung ist ein anschwimmender Sarg. Eine gute Idee, die allerdings noch nicht völlig ausgereift ist und vor allem auch akustisch etliche Probleme aufwirft. Die Entwicklung dieser, den meisten Dikussionsstoff liefernden Szene war durch ein Mißgeschick während der Probearbeiten behindert. An einem probenfreien Tag war der Sarg in seiner 'Garage' hinter der Bühne vierzehn Tage vor der Premiere plötzlich verschwunden. Er hatte Schieflage bekommen, war mit Wasser vollgelaufen und gesunken. Die Bergungs- und Reparaturarbeiten nahmen etliche Zeit in Anspruch, so daß mit dem Proben dieser Szene erst kurzfristig vor der Premiere wieder begonnen werden konnte.

Imposant ist der Einfall der sich blutrot-beleuchtet aus den Fluten des Bodensees erhebenden und später nur mit einem dem Windsäuseln ähnlichen Geräusch wieder in sie verschwindenden Guillotine, zu der eine kleine Brücke vom Buch her herausfährt. Über diesen Steg läuft Amelia, um das unterhalb der Guillotine befestigte Kraut gegen ihre Liebesgefühle für den König zu pflücken. Hervorragend auch der Spottchor (Choreinstudierung: Robert Jud/Vladimir Minin - Bregenzer Festspielchor/ Kammerchor Moskau) nur einige Szenen später. Der in dieser Szene auf einmal wie aus dem Nichts auftauchende Oldtimer paßt zwar nicht in die konkrete Zeitangabe mittels den auf der aufgeschlagenen Buchseite vermerkten Lebensdaten des schwedischen Königs Gustav III. von 1746 bis 1792, dessen Ermordung das historische Vorbild für Verdis Oper gab, aber der Einfall unterstützt die Idee des Spottchors hervorragend. Der offene Oldtimer aus den zwanziger Jahren wirkt wie ein Pranger, an dem der vermeintlich gehörnte Ehemann Ankarström und seine Gattin Amelia gestellt werden. Daß das Auto zudem noch vom Verschwörer-Chor geschoben wird, verstärken Ironie und Spott nur noch, wie Festspiel-Intendant Alfred Wopmann treffemd bemerkte. Da wird die Tragödie zur Komödie ....

Technische Perfektion auch in der nächsten Szene, wenn der vordere Teil der oberen Buchseiten nach oben aufklappt und das Zimmer Ankarströms mit einem überdimensionalen Gemälde-Porträt des Königs an der Wand und einem sich über die gesamte Länge der Bühne erstreckenden Tisch entstehen läßt. In diesem Zimmer wird René (Renato) Graf Ankarström endgültig zum Mitverschwörer und per Los letztendlich zum Mörder seines früheren Freundes, dem König Gustav (Gustavo). Wie in den letzten Jahren üblich, hat sich das Produktionsteam auch in Bregenz zur Aufführung der ursprünglichen Fassung entschieden und nicht der Verdi durch die Zensur aufgezwungenen Bostoner Version.

Zum großen Ballsaal wird die letzte, mit für Bregenz obligatorischen Feuerwerk interpunktierte Szene. 48 maskierte Tanzpaare sind auf der Bühne zum Menuett in sechs Reihen aufmarschiert, bilden, wenn Renato den Pagen Oscar nach dem Kostüm seines Herrn Gustavo ausfragt, schnell ein symbolträchtiges Fragezeichen - ein hervorragender, präzise umgesetzter Regieeinfall.

Am Ende wird der von Renato während des Balles tödlich verwundete König auf der sich zum Wasser hin bewegenden Hand des Gerippes in Richtung des wieder 'vorgefahrenen' Sarges befördert. Gustavo muß jedoch noch einmal von der Hand aufstehen, um mit letzter Kraft in den Sarg zu steigen und seine Partie zu Ende zu singen. Nun fragt sich fast jeder, warum man nicht noch die letzte technische Raffinesse vollbracht hat und den König direkt von der Hand in den Sarg befördern ließ. Die Antwort gibt ein Augenzeugenbericht des historischen Geschehens. Auf einem Opernball in den Rücken geschossen, ging Gustav III. am Arm eines Freundes ebenfalls noch aufrecht aus dem Zimmer. Hätte er nicht gesagt, daß er verwundet sei, dann hätten die Anwesenden nur an einen knallenden Scherz gedacht. Der König überlebte das Attentat noch um vierzehn Tage. Die Grafen Ankarström, Horn und Ribbing sind historisch-belegte Personen, die dem vom Volk geliebten König nach dem Leben trachteten, da er den Adel einen Teil seiner Rechte beraubt hatte. Wie in der Oper nahm auch der historische Gustav III., der auch als Theaterkönig in die Geschichte einging, da er gerne Theaterstücke schrieb und an Theateraufführungen als Schauspieler teilnahm, die Morddrohungen nicht ernst. Eine Liebesgeschichte wie in der Oper hat es jedoch nicht gegeben, Graf Ankarström war offensichtlich nicht verheiratet gewesen.

Die große Linie stimmt bei Seebühnen-Inszenierung. Jones und McDonald stellen sich ungern Fragen nach dem wieso und weshalb. Sie möchten, daß der Besucher die Bilder auf sich wirken läßt und diese besitzen eine hervorragende Wirkung. Dem Regie-Duo ist es gelungen im Sinne der Bregenzer Dramaturgie den Maskenball so auf die Bühne zu bringen, daß auch unbedarfte Opernbesucher den Stoff und das Geschehen verstehen, ohne Einzelheiten des Librettos zu kennen.

Teil 2 - Die drei Besetzungen

Teil 3 - Die Arbeit auf der Seebühne

Impressionen von der Inszenierung

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