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Deutsche Oper Berlin, Premiere, 26. Februar 2000, Teil 2NabuccoMusik eint, Inszenierung spaltet das PublikumDie InszenierungHans Neuenfels, der mit Nabucco seine siebte Verdi-Oper inszenierte, hat in dieser Neuproduktion seinen Wunsch nach einer subjektiven Perspektive mit Hilfe eines jungen Mannes verwirklicht, der zufällig in eine Opernproduktion von Nabucco gerät und immer mehr zum Teil der Geschichte wird. Auf seinem Laptop, dessen Texte der Zuschauer auf einem überdimensionalen, von der Decke immer wieder heruntergelassenen und hochgezogenen Bildschirm lesen kann, kommentiert er das Geschehen, schreibt seine Gedanken nieder, die sich auf dem Laptop mit den Libretto-Texten zum Teil mischen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, 'Was wenn ich Jude wäre, würde ich tun ?' Diese Frage prangt in blutroter Schrift auch von den grünen Stellwänden, die die Einheitskulisse bilden. Allerdings beantwortet wird die Frage von Hans Neuenfels nicht. Mit einem seiner letzten Kommentare stellt der 22jährige Frank - so hat er sich mittels seines Laptops zu Beginn selbst eingeführt - mit der Frage 'habe ich Oper für Geschichte gehalten' eher das ganze Geschehen und seine Sinnfälligkeit in Frage. Daß der sich selbst per Laptop als vergnügungssüchtig bezeichnende Frank nun nicht mehr anschließend in die Diskothek gehen will, ändert daran auch wenig bis nichts. Der Opernbesucher wird deshalb zur Oper keine andere Einstellung bekommen. Würde sich Neuenfels auf die Figur des Franks beschränken, wäre dies durchaus ein reizvoller Aspekt und die Vorstellung des pantomimisch agierenden Schauspielers Alexander Heidenreich ist gut eingebaut, daß Neuenfels aber auch noch Franks Freundin Dagmar (Carola Freiwald) ins Spiel bringen muß, überfrachtet diese Idee, ebenso die in Jeans und T-Shirt auftretenden Schergen der Abigaille. Zeitbezug um jeden Preis ist überflüssig. Ein sich verwebender Strang von Frank und Oper hätte völlig gereicht. Langweilig wird es bei der leichtfüßig inszenierten Bilderflut und Anhäufung von Assoziationen jedoch nicht so schnell, dazu gibt es zuviel zu sehen. Wer alles erfassen möchte, muß schon zwei- oder gar dreimal diese Oper auf sich wirken lassen. Positiv für Neuenfels spricht, daß er ein sehr musikalischer Regisseur ist und den Sängern keine sie vom Singen abhaltenden akrobatischen Kunststücke abverlangt. Die Sänger können ihre Stimmen voll zur Entfaltung bringen. Immer ernst und konzentriert zu bleiben, fällt ihnen schon schwerer. Zwar vertritt Hans Neuenfels die in der Musik begründete Ansicht, daß Verdi in dem Moment, in dem die Macht ins Spiel kommt, die Musik oberflächlicher gestaltet, gar witzig und spielerisch wird, aber deshalb in einer Oper mit so ernsthaftem Hintergrund gewollte Lacheffekte einzubauen, ist eine gefährliche Gratwanderung, um nicht völlig ins Triviale abzugleiten. Für Tumult sorgte während der Premiere die Szene, als der Oberpriester des Baal und sein Gefolge die Bühne betraten - als Drohne und Bienen, die ihre Königin Abigaille krönen. Wie alle Kostüme waren auch diese vom Bühnen- und Kostümbildner Reinhard von der Thannen mit viel Detailliebe entworfen und von Lichtbildner Nick Schlieper ins richtige Licht gerückt worden. In einer Operette von Offenbach wäre dies eine äußerst wirkungsvolle, phantasievolle Szene gewesen, aber in Nabucco - die Meinung des Publikums spaltete sich von krassester Ablehung bis zur großen Begeisterung. Das Benehmen eines Teils des Berliner Premierenpublikums ließ allerdings mehr als zu wünschen übrig, ganz gleich, wie man das Geschehen auf der Bühne bewertet, eine Rechtfertigung für ein solches Benehmen gibt es nicht. Nabucco - Abigaille Die Parodie steht auch im Vordergrund, wenn Neuenfels in den Szenen in den hängenden Gärten Babylons das Volk zu Gärtnern macht und Abigaille dessen Huldigungen auf einem Schaukelpferd entgegennehmen läßt. Oder, wenn Neuenfels die Kastration von Nabucco andeuten läßt. Natürlich kann man diese Szene mit der völligen Degradierung des Mannes, in diesem Fall durch seine einer Sklavin entsprungenen Tochter und somit unrechtmäßigen Thronergreiferin, erklären, aber hilft es der Oper und deren Aussage oder nur der Provokation ? Über was möchte Neuenfels eine Diskussion, über die Frage der Juden, über die Vernichtung von Minderheiten oder doch nur über eine Inszenierung ? Per Diaprojektor wird am Anfang der Oper der Titel, der Name des Komponisten und die Feststellung, daß diese Oper dem jüdischen Leben gewidmet sei, während der Ouvertüre auf den Vorhang projektiert. Was aber sieht man vom jüdischen Leben ? Eine immer auf der Flucht befindliches, ständig Pakete mit sich herumschleppendes Volk, das offensichtlich nur aus orthodoxen bzw. osteuropäischen Juden besteht und sich ständig moralischen Beistand bei seiner Leitfigur, dem Hohepriester holen muß. Ist das das jüdische Leben ? Werden hier nicht nur Vorurteile erneut genährt ? Daß die Oper dennoch zu Herzen geht, liegt - mit Ausnahme vor allem einiger Chorszenen - fast ausschließlich an der Musik und ihrer Interpreten. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, für wie unmündig Regisseure das Publikum halten müssen, daß sie davon ausgehen, daß es die Aussagen einer Oper nicht selbst auf das eigene Leben übertragen kann, ohne, daß auf der Bühne schon rein optisch ein Bezug zur heutigen Realität hergestellt wird und in gewisser Hinsicht mit der Holzhammermethode vorgegangen wird ? Eines ist Hans Neuenfels allerdings einmal mehr gelungen. Er hat mit seiner Inszenierung ein ungeheures Medieninteresse an der Deutschen Oper entfacht, was dieser eigentlich nur zu Gute kommen kann, und um seine eigene Person. Gespannt darf man sein, was der 58jährige seinem Publikum mit einer Oper über Verdi nach einem eigenen Libretto präsentieren wird. Die Komposition hierzu schrieb Adriana Hölzky, deren Die Wände im Januar 200o an der Oper der Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main in einer Neuinszenierung Premiere hatten. Bei der Urauffünrung in Wien hatte ebenfalls Hans Neuenfels inszeniert. Die von Neuenfels konzipierte Oper über Verdi soll im November in Stuttgart Premiere haben. Dort wird der Regisseur in einer wirklich eigenen Schöpfung die Gelegenheit besitzen, seine Phantasie freien Lauf zu lassen. Birgit Popp Die Musik Der Inhalt Impressionen Teil 1
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