Großartige Opernaugenblicke
Ferruccio Furlanetto Photo: Axel Zeininger
Ferruccio Furlanetto (Philipp II.), Miriam Gauci (Elisabeth von Valois), Dolora Zajick
(Prinzessin Eboli) und Eric Halfvarson (Großinquisitor) verhalfen der Don
Carlo-Vorstellung am 23.Januar 2001 zu großartigen Opernaugenblicken, die auch über
einige Schwächen in der Aufführung hinweg trösteten. Furlanetto, der im Rahmen der
Verdi-Wochen an der Wiener Staatsoper auch als Silva in Ernani und als Procida in I vespri
siciliani Glanzlichter setzt, gelang eine eindringliche Verkörperung des zwischen Macht,
Liebe, Argwohn, Eifersucht, Selbstzweifeln und Einsamkeit hin- und hergerissenen,
spanischen Königs mit seinen überwältigenden Baßqualitäten sowohl im Fortissimo als
auch in den Piani und seiner differenzierten Darstellung des alterneden Monarchen.
Unter die Haut ging das Duett zwischen Philipp II. und dem Großinquisitor, in dem der
König erkennen muß, daß er sich der Macht des unmenschlichen Kirchenherren beugen muß.
Diese Szene ist einer der packendsten, erschreckendsten und zugleich genialsten der
Operngeschichte. Dies liegt an der Vorlage Schillers, an der Musik Verdis, der die
großartigen schwarzen Stimmen in seiner Oper aus Dialogen und Zwiegesprächen
aufeinanderprallen läßt, und an Verdis Librettisten Méry und du Locle. Aber, was wäre
die beste Vorlage ohne die Persönlichkeiten, die sie auf der Bühne zum Leben bringen ?
Neben Furlanetto ist dies vor allem der Darstellung und Stimme von Eric Halfvarson zu
verdanken. Wenn er, sich den Papst unverkennbar als optisches Vorbild nehmend, als
blinder, gebeugter, verbitterter und alle Macht auf Erden in Händen haltender
Großinquisitor auf die Bühne tritt, dann ist das kein Musiktheater mehr, sondern der
Zuschauer glaubt sich wirklich im Schachern um das Schicksal der unterworfenen Völker und
der Einzelpersonen wie des Infanten Don Carlo, dem Sohn Philipp II., und dessen Freund
Marquis de Posa wiederzufinden. Zum Gelingen des Abends trugen die perlenden,
höhensicheren Soprantöne von Miriam Gauci ebenso bei wie der dramatische Mezzo von
Dolora Zajick. Auf der Positivseite zu vermerken sind zudem Goran Simic als Mönch (Kaiser
Karl V.), Tatiana Lisnic als Stimme vom Himmel und Renate Pitscheider als Tebaldo. Die
Wiener Philharmoniker setzten unter der Leitung von Vjekoslav Sutej die Partitur
wohlgefällig, wenn auch gelegentlich gegenüber den Gesangsstimmen einen Tick zu laut,
um. Die historische, mit opulenten Kostümen ausgestattete Inszenierung von Pier Luigi
Pizzi, der sich auch für die Kostüme und das Bühnenbild verantwortlich zeigte, kann
auch bei wiederholtem Besuch der Vorstellung begeistern.
Womit man langsam bei den eher schwächeren Momenten der Aufführung angelangt ist.
Auch im Januar 2001 bleibt die Staatsoper von zahlreichen Absagen wie schon am Ende des
Jahres 2000 nicht verschont. Für den Don Carlo traf es gleich zwei Publikumslieblinge mit
dem Tenor Neil Shicoff (Don Carlo) und dem Bariton Dimitri Hvorostovksy (Marquis von
Posa). Ersetzt wurden sie durch Haus-Tenor Keith Ikaia-Purdy und dem irischen Bariton
italienischer Abstammung Bruno Caproni. Während bei der ersten der beiden Vorstellungen
am 19. Januar das Duett von Don Carlo und Posa im ersten Bild völlig mißglückte,
zeigten sich die beiden Sänger in der Aufführung am 23. Januar wesentlich besser
aufeinander abgestimmt. Während Ikaia-Purdy in seiner Darstellung des infantilen,
puberitären Don Carlo überzeugen konnte, war dies stimmlich nicht im gleichen Maß der
Fall. Der wegen der zahlreichen Absagen derzeit sehr stark beanspruchte Tenor sang mit
viel Kraftaufwand und wenig differenziert. Bruno Caproni besitzt wenig baritonalen Samt in
der Stimme und vor allem in den Piani und Rezitativen häufiger Probleme in den
Zuschauerraum herüber zu gelangen. Im Verlaufe des Abends war für beide Sänger jedoch
eine Steigerung zu verzeichnen und vor allem in der Sterbeszene im vorletzten Bild, in der
Caproni mit schönem Legato gefallen konnte, bzw. im Duett Don Carlo - Elisabeth des
letzten Bildes konnten sie einige Pluspunkte sammeln.
Birgit Popp