Tito Beltrán
Ein stimmungsvoller Opernabend
Im Rahmen der Verdi-Wochen an der Wiener Staatsoper gab es am 26. Januar 2001 eine
anrührende, stimmungsvolle La traviata-Aufführung (Inszenierung: Otto Schenk) mit drei
stimmlich und darstellerisch hervorragend harmonierenden Protagonisten mit Christina
Gallardo-Domas als Violetta Valéry, Tito Beltrán als Alfredo Germont und Georg Tichy als
dessen Vater Giorgio Germont zu erleben. Fabio Luisi, dem die musikalischen Leitung oblag,
verstand es mit den Wiener Philharmonikern hervorragend den Spannungsbogen vom
vergnüglichen Anfang bis zum tragischen Ende zu halten.
Diese bittersüße Liebesgeschichte ist bis heute die populärste Oper Verdis schon
wegen ihres - von Tito Beltrán und Christina Gallardo-Domas als Solisten mitreißend
vorgetragenen - Trinkliedes im ersten Akt. Zur Zeit ihrer Uraufführung 1853 behandelte La
traviata ein äußerst gewagtes Sujet. Die Kurtisane Violetta erfährt zum ersten Mal die
wahre Liebe durch Alfredo, verzichtet aber auf sie, um dem Eheglück seiner Schwester
nicht im Wege zu stehen. Ein Verzicht, zu dem sie Alfredos Vater Giorgio Germont bewegt,
den Alfredo aber als Untreue auslegt und sie deshalb zutiefst beleidigt, indem er ihr vor
versammelter Gesellschaft bei einem Ball im Spiel gewonnenes Geld als 'Bezahlung' vor die
Füße wirft. Die Liebe Alfredos hatte der lungenkranken Violetta noch einmal neuen
Lebensmut gegeben, doch deren Verlust bereitet für Violetta endgültig das Totenbett.
Auch die Versöhnung mit Alfredo, der von seinem Vater über den wahren Sachverhalt
aufgeklärt wurde, können den Tod Violettas, die in den Armen ihren Geliebtes stirbt
nicht mehr verhindern. Die Musik Verdis und das Libretto von Francesco Maria Piave nach
dem von Alexandre Dumas (Sohn) mit autobiographischen Zügen verfaßten Roman 'Die
Kameliendame' geht heute noch unter die Haut und, wer würde nicht Violettas Sehnsucht
nach wahrer Liebe in ihrer Arie des ersten Aktes nachempfinden können ?
Christina Gallardo-Domas, die Violeta der Verdi-Wochen
Photo:Axel Zeininger
In diesem ersten Akt forcierte Christina Gallardo-Domas in den dramatischen Momenten
gelegentlich etwas, in den lyrischen sang sie jedoch mit betörender Einfühlsamkeit. Im
weiteren Verlauf gab sie die Koloraturen und Höhen mit größter Sicherheit, glänzte
aber auch besonders in den Piani und in den Duetten mit Alfredo bzw. Giorgio Germont als
auch in der Briefszene des letzten Bildes. Tito Beltrán gelang glaubwürdig die Wandlung
vom bescheiden-liebenden Verehrer Violettas zum glücklich Geliebten und Liebenden, der
zum verletzten Verschmähten und am Ende in ihrer Todesstunde wieder zum Pfeiler ihrer
Liebe wird. Der chilenische Künstler sang sein Rollendebüt an der Wiener Staatsoper als
Alfredo mit seinem einschmeichelnden, männlichen Tenor mit sicheren Höhen, schöner
Lyrik, harmonischen Übergängen zwischen den Registern und guter Technik. Sein
wohltemperierter Stimme verschmelzte sich auf schönster Weise mit dem Sopran von
Christina Gallardo-Domas.
Georg Tichy, der Vater Germont
Photo: Axel Zeininger
Zu den Höhepunkten des Abends zählte auch das Duett zwischen Violetta und Giorgio
Germont im zweiten Akt, als der Vater Alfredos in der vorübergehenden Abwesenheit seines
Sohnes in das Landhaus der Liebenden kommt und Violetta davon überzeugt, sich von Alfredo
zu trennen, um die Ehe seiner Schwester und deren Lebensglück nicht zu zerstören. Georg
Tichy sang den Germont überzeugend als besorgter Vater auftretend mit einem stilsicheren,
wohlphrasierenden Bariton, der auch in den Piani ohne Probleme in den Zuschauerraum
herüberkam. Manche sehen im Charakter des Germont zwingende Parallelen zu den bösen
Charakterzügen eines Jago oder auch Rigolettos, aber ist Germont wirklich auf eine Ebene
zu stellen ? Ist es hier nicht vielmehr ein 'typischer' Vater, der um das Glück seiner
Tochter bangt und eine Beziehung zu beenden sucht, die aus seiner Sicht auch seinem Sohn
kein dauerhaftes Glück bringen kann und ihm unangemessen ist ? Erst spät, zu spät
erkennt Germont, daß er mit dem von ihr verlangten Opfer Violettas Todesurteil gesprochen
hat. Als er seinen Fehler begreift und ihn am Ende wiedergutmachen will, ist es zu spät
für eine glückliche Zukunft Violettas und Alfredos. Das einzige, was er noch bewirken
kann, ist, daß sie mit Alfredo wiedervereint, glücklich in seinen Armen stirbt.
Eines soll noch hervorgehoben werden, das spanische Maskenfest im Hause Floras zu
Beginn des dritten Bildes. Die Balletteinlage - eine Augenweide, wie man sie sich
häufiger wünschen würde !
Birgit Popp