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Billy Budd an der Wiener Staatsoper Teil 1

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Wiener Staatsoper, Premiere, 12. Februar 2001, Teil 1
Österreichische Erstaufführung der vieraktigen Fassung von

Benjamin Brittens

Billy Budd

Bo Skovhus und Neil Shicoff
Photo: Axel Zeininger

mit Bo Skovhus in der Titelpartie und
Neil Shicoff als Kapitän Vere

Überwältigender Premierenerfolg !

'Traumhaft' war der Kommentar einer Opernbesucherin und damit möge sie recht haben - eine bessere (eine andere zwar schon) Inszenierung und eine optimalere Besetzung als mit Neil Shicoff (Kapitän Vere), Bo Skovhus (Billy Budd) und Eric Halfvarson (John Claggart) für Brittens1951 am Londoner Covent Garden uraufgeführten Oper Billy Budd läßt sich nur schwer vorstellen. Soviel Beifall nicht nur für die erstklassige Besetzung sondern auch für einen Regisseur gibt es nur selten zu erleben. Das Bühnenbild von Wolfgang Gussmann, ist zwar stilisiert, aber in augenfälliger Weise, und seine Kostüme in den Farben Blau, Weiß und Schwarz gehalten entsprechen in ihrem Schnitt und Aussehen der Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Willy Decker, der vor einem Jahr bereits mit Lulu einen großen Triumph an der Wiener Staatsoper feierte, hat dabei in seiner Inszenierung jede kleinste Geste penibel im Einklang mit Brittens Musik ausgearbeitet und zu einem großartigen Ganzen zusammengefügt. Großartig ist auch die musikalische und sängerische Leistung unter der Leitung von Donald Runnicles.

Inhalt

Billy Budd erzählt die tragische Geschichte eines Seemannes. Der amerikanische Autor Herman Melville (Moby Dick) hat den 'Fall Somers' zu seiner letzten Novelle in den Jahren 1888 bis 1891 verarbeitet, die aber erst nach seinem Tod entdeckt und 1924 veröffentlicht wurde. Auf der Grundlage der Novelle von Melville basiert das Libretto von E.M. Forster und Eric Crozier. Die Handlung spielt im Jahr 1797 zur Zeit der Koalitionskriege zwischen Großbritannien und Frankreich nach der französischen Revolution. Eine Zeit, die Menschen unter unwürdigen und brutalsten Umständen auf einem Schiff wie in einem Gefängnis zusammengepreßt sah. Auf einem 74-Kanonen-Schiff, wie es der Handlungsort von Billy Budd ist, waren z.T. 1500 Seeleute zusammengepfercht, obwohl diese Schiffe nur für die Hälfte der Anzahl von Personen gebaut waren. Dementsprechend gereizt war das Klima, zudem schwappten die aufklärerischen Gedanken über den Ärmelkanal auf die britische Insel hinüber und das Schreckensbild von der Meuterei bei Spithead und auf der Nore war den Offizieren und ihrem Kapitän noch frisch vor Augen.

Billy Budd, ein Seemann, wird wie zwei andere Personen zum Dienst auf dem Kriegsschiff 'Indomitable' (Unbezwingbare) gepresst. Doch der gut aussehende, etwas naive, fröhliche Matrose sieht dem Abenteuer mit Begeisterung entgegen, ist 'grundlos glücklich', zufrieden, gut und hilfsbereit. Als er zum Dienst auf dem Vortopp eingeteilt wird, ist sein Glück fast perfekt. Aber schon in seiner Begeisterung darüber, liefert er den ersten Verdachtsmoment, weil er sich von seinem alten Schiff, die 'Rights of Man' lauthals verabschiedet. Von den Offizieren wird ihm dies als Abgesang auf die Menschenrechte ausgelegt. Der Waffenmeister John Claggart, abgrundtief böse, erkennt in Billy Budd sein totales Gegenbild und in dessen Reinheit und Unschuld für sich eine persönliche Gefahr. In einem großartigen Monolog stellt er fest, daß er in seiner schwarzen Welt nicht mehr zufrieden sein könne, nachdem er das Gute geschaut habe, ohne es je erreichen zu können. Claggart beschließt das Gute zu vernichten, spinnt Intrige, bezichtigt Billy Budd der Anstiftung zur Meuterei und schwärzt ihn bei Kapitän Vere an. Der allseits verehrte (fast göttliche) Herrscher über das Schiff und seine Mannschaft, durchschaut zwar Claggarts Spiel, wird aber dennoch sein Opfer und Handlanger. Als er den Waffenmeister und Billy Budd in seiner Kabine gegenüberstellt und der Vortoppmann sich gegenüber den Anschuldigungen Claggarts verteidigen soll, kann dieser es nicht, weil er bei Aufregung stottert und kein Wort hervorbringen kann - auch das Gute hat einen Makel, der ihm schicksalhaft zum Verhängnis wird. Statt der Worte aus seinem Mund löst sich ein Schlag aus seinem Arm, der den Waffenmeister niederstreckt und ihn tötet.

Kapitän Vere ruft ein Standgericht aus drei seiner Offiziere ein, bei dem er nur als (einziger) Zeuge auftritt. Er schildert die Vorkommnisse, ohne jedoch Partei für Billy zu ergreifen, von dessen Unschuld er überzeugt ist und für den er väterliche Gefühle empfindet. Das Standgericht verurteilt Billy Budd laut Gesetzbuch der Navy, für den Fall, daß ein Matrose einen seiner Vorgesetzten tötet, zum Tod durch den Strang. Kapitän Vere akzeptiert das Urteil, obwohl er erkennt, daß der Engel das Böse vernichtet habe und er nun das Gute zerstöre, und sich vor dem Urteil des Himmels fürchtet. Er entscheidet sich für den Tod Billys, um die Moral der Mannschaft nicht zu untergraben und Willkür ausbrechen zu lassen. Doch gerade das Urteil und die Hinrichtung des bei der gesamten Mannschaft beliebten Billys führt fast zur Meuterei, die Billy nur dadurch verhindert, daß er Kapitän Vere (Sternen-Vere, wie die Matrosen ihn nennen) segnet. Schon bei der ersten Begegnung mit Vere hatte Billy Budd angekündigt, daß er bereit sei, für Vere zu sterben. Er wird dies nun tun, wenn auch in völlig anderer Weise wie geglaubt. Billy Budd hat das Urteil und das Verhalten Veres akzeptiert, weiß oder glaubt zu wissen, daß ein anderes Handeln die Macht des Kapitäns untergraben würde. Es ist jedoch gerade der Kapitän als mittlerweile gealterter Mann, der in seinen Prolog und Epilog feststellt, die Mannschaft und Billy Budd hätten gewußt, daß er - Vere - das Leben Billy Budds hätte retten können. Er sieht letztendlich in Billy seinen Retter, von dem eine Liebe ausgeht, die alles Verstehen übersteigt.

Regisseur Willy Decker, der auch die kleinste Wirkung nicht dem Zufall überläßt und sich durch eine herausragende Personenführung auszeichnet, setzt auch äußerlich ganz auf den Böse-Gute-Effekt, in dem er Claggart ganz in Schwarz kleidet, während Billy Budd als einziger Matrose (alle anderen tragen Schwarz-Blau) ganz in Weiß erscheint. Der Kapitän und seine Offiziere treten in blau-weißen Uniformen auf. Decker inszeniert ein biblisches Gleichnis, in dem Abel Kain erschlägt - oder Gott gar Jesus opfert ? Der Regisseur möchte den Zuschauer vor die Frage stellen, wie er selbst in dieser Situation entscheiden würde. Aber ist es wirklich am Ende eine Entscheidung einer Einzelperson, ist das Ablauf des Geschehens nicht vielmehr die Folge eines zwangs- und schicksalhaften Ablaufes einer (göttlichen) Vorsehung ? Immer wieder wird dieser Einfluß des Schicksals und der Vorbestimmung auch im Libretto offenkundig. Eine Reihung von Geschehnissen, an deren Ende die Hoffnung auf Liebe steht, die das Verstehen eben übersteigt ? Sowohl Billy Budd als auch Kapitän Vere sehen an der Endstation ihres irdischen Lebens eine Insel - ein besseres Land - als Zukunftsversion, wo sie für immer vor Anker gehen.

Birgit Popp

Teil 2 Billy Budd -  Musik

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